Von Wien in den Rest der Welt
Wobei die allererste Aufführung tatsächlich nicht am 1. Januar, sondern am 31. Dezember stattfand. Und zwar im Jahr 1939. Dass das damalige Konzert Bestandteil von Joseph Goebbels Propagandamaschinerie war, wird heutzutage kaum noch erwähnt, spielt aber auch keine Rolle mehr, da sich die Veranstaltung im Laufe der Zeit nicht nur vom NS-Regime, sondern von der Politik allgemein befreien konnte.
Seit 1959 wird das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker vom ORF im Fernsehen übertragen. Mittlerweile wird es von mehr als fünfzig Millionen Zuschauer aus zweiundneunzig Ländern am 1. Januar live mitverfolgt – und ist damit nicht nur das erste, sondern auch das bekannteste und beliebteste Neujahrskonzert der Welt. Es verwundert nicht, dass im Zuge dieses Erfolgs auch andere Klangkörper die Tradition der Neujahrkonzerte für sich übernahmen.
Von Ritualen und Klischees
Inzwischen finden überall in Deutschland am 1. Januar Veranstaltungen statt. Und oft steht das Werk auf dem Programm, das bereits schon am Tag davor zu hören war, nämlich Beethovens neunte Sinfonie. Aus vielen Städten ist die „Ode an die Freude“ eben nicht wegzudenken. Wobei sich die Klassikgeister da durchaus scheiden. Für die einen ist Beethovens Neunte zum Jahreswechsel ein liebgewonnenes Ritual, andere wiederum sehen in dem Zusammenspiel von Werk und Datum ein abgenudeltes Klischee.
Wer sich dem letztgenannten Meinungsbild angeschlossen hat, kann inzwischen aber mit der Moserei aufhören, denn viele Orchester spielen in ihrem ersten Konzert des Jahres bewusst ein anderes Programm, auf dem dann nicht nur Beethoven fehlt, sondern gerne auch die Werke der Strauss-Dynastie, um sich damit inhaltlich dann auch gleich von den Wiener Philharmonikern abzuheben.
Neujahrskonzerte nah und fern
Was aber nichts daran ändert, dass ein Großteil der Neujahrskonzerte pünktlich am 1. Januar über die Bühne geht – die Veranstaltungskalender aus Hamburg, Berlin, München und, und, und beweisen es. Warum also so knapp danach dieser Artikel? Aus zwei guten Gründen. Zum einen ist nach dem Neujahrkonzert vor dem Neujahrkonzert. Gerade in den Großstädten und bei den renommierten Orchestern muss man sich schon arg frühzeitig um die Kartenbuchung kümmern. Zum anderen gibt es auch jetzt noch genügend Veranstaltungen zum Jahreswechsel. Denn traditionell ziehen sich die Neujahrskonzerte bis in den Februar hinein.
Bei einigen Orchestern liegt es daran, dass sie bereits zu Silvester gespielt haben und eben keinen Konzertmarathon machen möchten, wie es einige große Klangkörper handhaben. Andere Häuser wiederum machen aus dem Neujahrskonzert eine Veranstaltungsreihe und spielen es mehrmals – wie zum Beispiel das Theater Ulm, an dem man die Konzerte vom 1. Januar bis zum 1. Februar genießen kann. In einigen Städten gibt es zudem so viele Ensembles, dass, würden alle pünktlich zu Neujahr ihr Konzert geben, sie sich gegenseitig das Publikum streitig machen würden. Wovon letztlich niemand etwas hätte. Eine Staffelung der Neujahrkonzerte ist da nur eine logische Konsequenz.
Ein Konzert ist ein Konzert ist ein Konzert
Sie sehen: beschäftigt man sich erst einmal mit der Materie, hat man schnell die Qual der Wahl. Lassen Sie sich von dem vielfältigen Angebot der Neujahrskonzerte aber nicht stressen. Obwohl diese Veranstaltungen gerne als etwas Besonderes beworben werden, sind sie streng genommen vor allem eins: das erste Konzert des Jahres eines jeden Klangkörpers. Es kommt also nicht aufs Datum, sondern auf die Besetzung und die Programmauswahl an.