Voller Konzentration nehmen Gretje Peters und Liliia Kovalenko beim Akustikcheck in der Aula des Lübecker Katharineums die letzten Tipps ihrer Lehrerinnen entgegen. Hier ein klarer Bogenstrich, dort ein präzisier Anschlag auf der Klaviatur. Ein knappes Lächeln, noch einmal durchatmen. In wenigen Augenblicken werden rund dreißig Zuhörer und eine vierköpfige Jury all ihre Aufmerksamkeit auf die beiden Vierzehnjährigen richten. Dann gilt es, sich zwanzig Minuten von der besten musikalischen Seite zu zeigen. Zwanzig Minuten, auf die sich die Cellistin und die Pianistin seit Herbst vergangenen Jahres vorbereitet haben. An diesem Pfingstsonntag stehen sie im bundesweiten Finale von Jugend musiziert. „Wir sind zufrieden“, sagen Greje und Liliia sichtbar erleichtert nach ihrem Auftritt. „Manches hätten wir gern anders gemacht, aber das war die Aufregung. Jetzt gehen wir erstmal eine Pizza essen.“ Die Teilnahme an der Preisverleihung zwei Tage später haben sie fest eingeplant.

Gretje Peters (Violoncello) und Liliia Kovalenko meisterten im Finale von Jugend musiziert ein anspruchsvolles Programm mit Werken von Bach, Fauré und Auerbach © Sabine Siemon/DMR
Gretje Peters (Violoncello) und Liliia Kovalenko meisterten im Finale von Jugend musiziert ein anspruchsvolles Programm mit Werken von Bach, Fauré und Auerbach © Sabine Siemon/DMR

Der Weg ist bei Jugend musiziert das Ziel

Mehr als 2700 Musikerinnen und Musiker sind Mitte Mai nach Lübeck zum Bundeswettbewerb von Jugend musiziert gereist. Eine Woche lang ist die Hansestadt Hochburg des musikalischen Nachwuchses in Deutschland. In insgesamt 1380 Wertungsspielen präsentieren sich die Kinder und Jugendlichen, die sich in den Vormonaten bereits auf Regional- und Landesebene durchgesetzt haben. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Teilnehmerzahl sogar um 13 Prozent gestiegen.

Manch einer ist vom eigenen Erfolg – und allein die Qualifikation für den Bundeswettbewerb gilt übereinstimmend als große Leistung – überrascht. „Ich habe gar nicht so viel geübt und stehe jetzt hier“, sagt Jonathan Paul Friedmann leicht ungläubig. Vor vier Jahren habe er eher zufällig als Leistung für den Konfirmandenunterricht mit dem Orgelspiel begonnen. Im letzten Jahr konnte ihn sein Lehrer Lukas Euler, vormals Assistenzorganist an der Leipziger Thomaskirche, für den Wettbewerb begeistern. „Egal wie es ausgeht, ich freue mich, jetzt ein neues Programm spielen zu können.“

In Lübecks ikonischer Kulturwerft Gollan finden die Wertungsspiele der Schlagzeug-Ensemble statt © Oliver Borchert
In Lübecks ikonischer Kulturwerft Gollan finden die Wertungsspiele der Schlagzeug-Ensemble statt © Oliver Borchert

Musikgenuss und Sightseeing

Nach 2018 und 2010 ist der traditionsreiche Wettbewerb bereits zum dritten Mal in Lübeck zu Gast und kann hier auf eine hervorragende Infrastruktur setzen. Immerhin müssen 22 geeignete Orte zeitgleich für die Vorspiele zur Verfügung stehen. Das interessierte Publikum, das bei den meisten Kurzkonzerten zahlreich vertreten ist, profitiert wiederum von den kurzen Wegen in der Altstadt: Von der ehrwürdigen St. Marien-Kirche, in der Teile der Orgelwertung stattfinden, sind es nur wenige Gehminuten bis zum Theater, auf dessen beiden Bühnen die Musical- und Kunstlieddarbietungen in vollem Gange sind. Auf der anderen Seite der Trave, wo früher Schiffe gebaut und repariert wurden, kommen indes Freunde der gepflegten Rhythmik auf ihre Kosten: Die Kulturwerft Gollan mit ihren riesigen Hallen beherbergt die Schlagzeug-Ensembles, deren Instrumentarien nicht selten einen Dreieinhalb-Tonner füllen. Musikgenuss und Sightseeing gehen in diesem Jahr Hand in Hand.

Kurze Wege, anregende Atmosphäre und jede Menge Musik: Zum dritten Mal kommt der Bundeswettbewerb von Jugend musiziert nach Lübeck © Jan-Hendrik Maier
Kurze Wege, anregende Atmosphäre und jede Menge Musik: Zum dritten Mal kommt der Bundeswettbewerb von Jugend musiziert nach Lübeck © Jan-Hendrik Maier

Sprungbrett für zukünftige Künstlerkarrieren

Eng verbunden mit dem 1963 ins Leben gerufenen und vom Deutschen Musikrat veranstalteten Wettbewerb ist die Sparkassen-Finanzgruppe. Als Förderer der ersten Stunde, seit 1991 überdies als Hauptsponsor neben dem Bundesfamilienministerium, leistet sie die finanzielle Grundsicherung des Wettbewerbs auf allen drei Ebenen. Das Engagement ist vielfältig und umfasst neben Sponsoring auch ganz praktische Hilfe. So stellen einige Sparkassen ihre Räumlichkeiten für Preisträgerkonzerte und Wettbewerbsrunden zur Verfügung. Knapp 131 Millionen Euro haben die Sparkassen 2023 in Kunst und Kultur investiert, mehr noch als in den Sport.

Ruvim (links) und Simeon Arestov freuen sich über den diesjährigen Sparkassen-Sonderpreis, den Dr. Ulrich Reuter den beiden im Theater Lübeck verleiht © Oliver Borchert
Ruvim (links) und Simeon Arestov freuen sich über den diesjährigen Sparkassen-Sonderpreis, den Dr. Ulrich Reuter den beiden im Theater Lübeck verleiht © Oliver Borchert

Seit 1994 verleiht der Dachverband zudem jährlich den mit 5.000 Euro dotierten Sonderpreis an ein herausragendes Familienensemble. In Lübeck zeichnete DSGV-Präsident Dr. Ulrich Reuter die Zwillingsbrüder Simeon und Ruvim Arestov für ihren erfolgreichen Beitrag in der Kategorie „Duo: Klavier und ein Streichinstrument“ aus.

„Jugend musiziert ist für uns mehr als nur ein Wettbewerb. Wer musiziert, erlernt dabei wichtige Schlüsselqualifikationen, die wertvoll für jedes Individuum, aber auch für das soziale und gesellschaftliche Miteinander sind“, resümiert Thelke Fiebrandt, Abteilungsdirektorin beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband, die Gründe für das permanente Engagement. Kommen Fleiß, Ehrgeiz und das notwendige Quantum Glück zusammen, kann die Teilnahme an Jugend musiziert auch als Sprungbrett für zukünftige Künstlerkarrieren dienen. Weltstars wie Anne-Sophie Mutter und Igor Levit haben es vorgemacht.

Spielt seit sieben Jahren Tuba: Finalist Kiran Mohr © Jan-Hendrik Maier
Spielt seit sieben Jahren Tuba: Finalist Kiran Mohr © Jan-Hendrik Maier

Vom Ausprobiertag zum Bundeswettbewerb

Nicht zuletzt verleiht Jugend musiziert auch der musikalischen Vielfalt Ausdruck. Von Bağlama, Zither und Hackbrett über Gitarre, Saxofon und Mandoline bis zu Pop- und Musicalgesang ist die Teilnahme insgesamt in 24 Kategorien möglich. Da darf die Tuba als Instrument des Jahres 2024 nicht fehlen. „Ihr offener und runder Sound hat mir sofort gefallen“, erinnert sich Finalist Kiran Mohr an seine erste Begegnung bei einem Ausprobiertag der NDR Radiophilharmonie in Hannover vor sieben Jahren. „Die Tuba kann nicht nur tief, sondern mit ihrem Tonumfang von viereinhalb Oktaven auch richtig hoch und melodisch klingen. Das wissen viele nicht.“

Wer es in diesem Jahr nicht nach Lübeck geschafft hat, kann zwei Konzerte mit Preisträgerinnen und Preisträgern am 30. Mai ab 20 Uhr im Radio auf NDR Kultur nachhören. Am 15. Juni findet zudem das Konzert der Sonderpreisträgerinnen und -preisträger im Beethovenhaus in Bonn statt. Der nächste Bundeswettbewerb beginnt im Juni 2025 in Wuppertal.

Aufmacherbild: © Oliver Borchert