Man kennt das Phänomen vor allem aus dem Kino: Auch wenn der penetrante halbstündige Werbeblock vor Filmbeginn oft ein wenig lästig daherkommt, freut man sich doch meist schon auf die kleinen Vorschaufilmchen, die dem Zuschauenden Einblicke in kommende Neuerscheinungen und bevorstehende Film-Ereignisse erlauben. Und obwohl diese sogenannten Trailer nur wenige Minuten dauern, liefern sie meist genug inhaltliche Information, um sich blitzschnell ein Urteil über das Gezeigte bilden zu können und mit der Einordnung in eine der beiden Kategorien „lohnenswert“ oder „langweilig“ quasi über Leben und Tod des präsentierten Werks zu entscheiden – ganz subjektiv versteht sich.

Trailer für die Opernhäuser

Mit der fortschreitenden Expansion digitaler Medienformate, von der auch die Klassikwelt – und das ist auch gut so – keinesfalls verschont bleibt, hat sich die Nutzung kleiner Video-Vorschau-Spots als werbende Ankündigung auch bei Musikinstitutionen fest etabliert. Vor allem für Opernhäuser entpuppen sich Trailer als ideales Mittel zur Vorstellung neuer bzw. aktueller Produktionen. Wer beispielsweise auf der Suche nach interessanten, traditionellen oder spezifischen Inszenierungen ist oder wen die Unsicherheit plagt, ob sich der Erwerb einer Eintrittskarte für die laufende „Aida“ im städtischen Opernhaus dem eigenen Geschmack entsprechend rentiert, der kann sich vorab den Trailer anschauen und entscheiden: lohnenswert oder langweilig – Daumen hoch, Daumen runter. Doch wie entstehen die kleinen Filmchen, die den Rezipierenden monumentale Werke mit maximaler Informationsdichte bei minimalem Zeitaufwand näherbringen?

Kurz-Trailer zu „Lucia di Lammermoor“ am Aalto-Theater Essen:

Einer der Pioniere auf diesem Gebiet der Kurzfilmproduktion für Theater und Opernhäuser ist Ullrich Bohn, der Theater-TV ins Leben gerufen hat: „Vor knapp achtzehn Jahren haben wir angefangen, solche kleinen Videos für Kulturinstitutionen zu produzieren, die zum einen auf deren Stücke hinweisen und gleichzeitig etwas über diese Stücke aussagen. Damit hatten wir offenbar einen gewissen Nerv getroffen“, erzählt Bohn, der mit diesem Prinzip schnell auf Nachfrage stieß. Bis heute gehören renommierte Häuser wie das Staatstheater Wiesbaden, das Landestheater Detmold, die Staatsoper Hannover, die Semperoper Dresden, das Aalto Theater Essen, die Oper Köln u. a. zu seinen regelmäßigen Kunden.

Zugänge schaffen

Aus diesen ersten Projekten hat sich dann das Konzept von Theater-TV schnell entwickelt: Auf der Internetseite werden all die für die Kultur- und Opernhäuser produzierten Videos gesammelt und stehen dort zum Abruf bereit, sodass man sich jederzeit Eindrücke von den aktuellen – oder auch vergangenen – Gegebenheiten der Musiktheaterlandschaft verschaffen kann. Die dabei angebotenen Videos beschränken sich jedoch nicht nur auf kurze Trailer, sondern schließen auch längere, ausführlichere Formate ein, mit denen man sich noch genauer über die jeweiligen Opern und Inszenierungen informieren kann. Diese sollen laut Ullrich Bohn zum Beispiel auch dem unerfahreneren oder jüngeren Opernpublikum eine Chance bieten, sich den Werken anzunähern: „Gerade von den jüngeren Menschen haben viele durchaus eine Affinität zum Musiktheater, aber häufig kennen sie einfach die Stücke noch nicht und dadurch fehlt ihnen der Zugang.“ An dieser Stelle können die Videos Abhilfe schaffen, in denen die Produktionen nicht nur bildlich-musikalisch zusammengefasst, sondern auch inhaltlich näher erklärt und vorgestellt werden. Häufig geschieht dies auch mithilfe von eingebauten Interviews mit Künstlern, Regisseuren oder anderen Produktionsbeteiligten.

Redakteur, Kameramann und Cutter in einem: Theater-TV-Gründer Ullrich Bohn © privat
Redakteur, Kameramann und Cutter in einem: Theater-TV-Gründer Ullrich Bohn © privat

„Die Tagesschau der Kulturberichterstattung“

Theater-TV-Schöpfer Ullrich Bohn selbst arbeitete eigentlich als freier Journalist, hatte bei der Zeitung angefangen, später für Rundfunkanstalten gearbeitet. Dann stellte er ein kleines Team auf und begann die Arbeit an den Videoprojekten. Im Laufe der Jahre brachte er sich jedoch das Filmhandwerk eigenständig bei und auch das Bearbeiten und Schneiden des Materials in der Postproduktion erlernte er autodidaktisch.

Heute bereist der 67-Jährige die deutschen Kulturstätten meist allein, verkörpert Redakteur, Produzent, Kameramann, Tontechniker und Cutter in einer Person. Wenn es gut läuft, schafft er so bis zu 150 Filmproduktionen im Jahr. Viel Zeit zur Nachbearbeitung hat er dabei allerdings nicht, im Idealfall sollten die Videos etwa zwei Tage nach Aufnahme fertig sein: „Wir sind sozusagen die Tagesschau der Kulturberichterstattung“, scherzt Bohn.

Ausführliches Video zur „Tristan“-Inszenierung im Staatstheater Wiesbaden:

Immer offen für neue Herausforderungen

Eine große Herausforderung dabei ist vor allem das Komprimieren: Opernwerke dauern gerne mal ihre drei bis vier Stunden. Um alles in ein paar Minuten Video zu verpacken und trotzdem die wichtigsten Momente und Eindrücke zu vermitteln, dafür braucht es Erfahrung, gute Repertoirekenntnis und unermüdlichen Antrieb, der Bohn jedoch durch seine Freude am Beruf durchweg gegeben ist: „Meine Begeisterung für die Musik und das Musiktheater hat nie aufgehört. Für mich ist es eine Faszination, das Bühnengeschehen zu filmen, Mitschnitte davon zu machen und dabei immer etwas Neues zu erleben. Das macht mir am meisten Spaß und das möchte ich auch noch, so lange es geht, weitermachen. Und für neue Ideen und neue Herausforderungen bin ich sowieso immer offen.“

Ein kurzer Opernführer zu Donizettis „Don Pasquale“:

 

Weitere Videos und Informationen zu Theater-TV gibt es unter:

theater-tv.net

Aufmacherbild: © Pixabay