Nur einen Steinwurf vom Schlossplatz entfernt, ragt der spitze Giebel des Fruchtkastens auf dem Schillerplatz in die Höhe. Dort ist das Musikinstrumentenmuseum des Landesmuseums Württemberg untergebracht – ein zentraler Treffpunkt für Musikliebhaber jeden Alters. Und schon im Erdgeschoss gibt es viel zu entdecken. Dort warten Tasteninstrumente vom 17. bis zum 20. Jahrhundert darauf entdeckt zu werden und bilden gleichzeitig den Schwerpunkt der Sammlung.
Virginale, Cembali oder Hammerklaviere werden für das Publikum spielbar gemacht und in der Konzertreihe „Alte Musik im Haus der Musik“ regelmäßig zum Klingen gebracht. Besonders beliebt ist der Doppelflügel aus der französischen Klavierfabrik Pleyel, die 1807 in Paris vom österreichischen Komponisten Ignaz Josef Pleyel gegründet wurde. Ursprünglich wurden etwa 50 solche Instrumente bis 1930 hergestellt. Allerdings haben nur ganz wenige von ihnen die Weltkriege überstanden.
Die Hüterin der wertvollen Instrumente
Doch auch Instrumente, die nicht mehr spielbar sind, wie etwa das Doppelvirginal, sind begehrte Studienobjekte, besonders für Instrumentenbauer. Doch die Besucher müssen sich auch hier nicht nur mit dem Anschauen begnügen. Mit einem Audioguide könnten sie unzählige Stunden, wenn nicht gar Tage, mit Musikbeispielen verbringen. Doch nur ein Bruchteil der tatsächlich vorhandenen Instrumente kann auch gezeigt werden. Etliche weitere müssen ihr Dasein im Depot fristen. Der Platz in einem geschützten Gebäude ist nun mal begrenzt.
Damit aber doch etwas Bewegung in die Sammlung kommt, setzt sich María del Mar Alonso Amat für Neuigkeiten in der Ausstellung ein. Die gebürtige Spanierin ist seit letztem Sommer neue Kuratorin im Haus der Musik. Am Konservatorium von Murcia hat sie Klavier studiert und dort auch unterrichtet. Doch bald schon wechselte sie an die Essener Folkwang-Universität der Künste und in das Fach Musikwissenschaft. Etwa 1.200 Objekte, davon knapp 400 Musikinstrumente, betreut die Doktorandin in ihrer aktuellen Wahlheimat.
Der regionale Bezug in der Sammlung ist sehr präsent
Doch woher kommen die Instrumente eigentlich? „Der regionale Bezug ist in der Sammlung schon sehr präsent“, erklärt Mar Alonso. „Die Tasteninstrumente kommen beispielsweise hauptsächlich vom Stuttgarter Klavierfabrikanten Carl Anton Pfeiffer, der dem Landesgewerbeamt 1901 unter anderem mehr als 300 Klaviermechanikmodelle und einige wertvolle historische Tasteninstrumente gestiftet hat.“ Damals wurden diese Instrumente als ein Teil der Möbelabteilung ausgestellt, da die Ziele des Museums ganz andere waren als heutzutage.
Eine Treppe weiter oben warten Instrumente, die oftmals nicht sofort als solche zu identifizieren sind: Spazierstock-Flöte, Regenschirm-Geige, ein Klavier mit Knopftastatur oder ungewöhnliche elektronische Instrumente aus Mitte des 20. Jahrhunderts. Die Welt der Musikinstrumente steckt doch voller Überraschungen. Immer wieder haben sich innovative sowie experimentierfreudige Instrumentenbauer abseits aller Konventionen ausgetobt – mal mehr und mal weniger alltagstauglich. Statt im Orchester zu erklingen, erfreuen diese Kuriositäten nun die Besucher.
Klangwelten mit Migrationshintergrund
Im obersten Stockwerk des Fruchtkastens geht es sogar noch kurioser zu. Das Klanglabor „Unerhört!“ lädt dazu ein, nach Herzenslust selbst auszuprobieren und zu musizieren: Summtopf, Wasserorgel, Kuhglockenklavier, Theremin, singende Säge oder klingender Besen. Alles neue Klangerfahrungen und alles ganz intuitiv. „Das selber Ausprobieren ist sehr wichtig, damit die Besucher auch einen persönlichen Bezug zu den Instrumenten herstellen können“, sagt die Kuratorin, die sich bereits am „Beathoven“-Boxsack zu schaffen macht – Beethovens Fünfte wird geboxt. Trauen sich auch die Erwachsenen hier zuzuschlagen? „Da gibt es eigentlich kaum einen Unterschied, ob jung oder alt“, freut sich Mar Alonso.
Zusammengehalten wird die Sammlung von der Ausstellung in der zweiten Etage, wo ein chronologischer Bogen von Renaissance-Instrumenten bis zur mechanischen Musikerzeugung und -wiedergabe im 19. und 20. Jahrhundert gespannt wird. Unter dem Namen „Unsere Musikinstrumente – Klangwelten mit Migrationshintergrund“ sind kostbare Streich-und Blasinstrumente versammelt. Es ist eine Art Rundgang durch die Entwicklung des Musikinstrumentenbaus. Hier wird deutlich, wie sehr die christlich-europäische Musikkultur durch den asiatischen sowie islamisch-arabischen Kulturkreis geprägt ist. Zahlreiche Musikbeispiele lassen die internationalen Klangwelten erahnen, wenn etwa die türkische Zurna, mit der europäischen Schalmei und einer modernen Oboe verglichen wird.
Das Wichtigste: der Besucher
Doch wie sieht das Musikinstrumentenmuseum der Zukunft aus? Die Grundlagen für eine Neukonzeption sind bereits angedacht, wofür das „Kuriose Klanglabor“ einen wichtigen Ansatzpunkt bildet. Epochentypische Themenfelder wie zum Beispiel Oper oder Tonstudio sollen mit in die Sammlung eingebunden werden. Auch das Thema Klangphänomene scheint interessant. „Wichtig ist, dass die Ausstellungsstücke erlebbar sind“, sagt Mar Alonso.
Das Thema Digitalisierung ist auch im Museumsbereich ein riesiges Thema. Dass die Sammlung auch im Internet präsent ist, sei nicht nur für die Besucher interessant. „Auch Wissenschaftler, Instrumentenbauer und Restauratoren aus der ganzen Welt hätten so Zugriff auf unsere Sammlung und wir hätten wiederum einen Überblick über die Objekte in anderen Museen“, gibt die Kuratorin zu bedenken. „Bis es aber soweit ist, wollen wir die Musikinstrumente weiterhin in der Öffentlichkeit durch Konzerte, Führungen und andere Vermittlungsformen präsentieren. Denn letztendlich haben die Besucher vielfältige Interessen.“
Aufmacherbild: Klanglabor mit Wasserorgel, Kuhglockenklavier und anderen Klangerlebnissen im Haus der Musik © Hendrik Zwietasch/Landesmuseum Württemberg