Tauftag in Bonn. Kein Kind, kein Schiff, nein: eine Rose bekommt einen neuen Namen. Im Rahmen des Beethoven-Jahres 2020 ehrt die Geburtsstadt des Komponisten ihren Jubilar nicht nur mit Statuen und Installationen, einer Briefmarke und vielen Konzerten, sondern widmet ihm nun auch noch eine Rosenzüchtung. Am 30. August kam eine illustre Runde im Garten der Bonner Redoute zusammen,  um den Namen der Rose feierlich zu verkünden. So viele Veranstaltungen der Jubiläumsfeierlichkeiten für das berühmte Kind der Stadt mussten abgesagt werden, dass das Beethoven-Jahr bis in den Sommer 2021 hinein offiziell verlängert wurde. Der Zeremonie wohnten neben den beiden Patinnen – Elke Büdenbender, Ehefrau von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, und Petra Fendel-Sridharan – auch der Bonner Oberbürgermeister Ashok Sridharan, Malte Boecker von der Jubiläumsgesellschaft und die Rosenzüchter selbst bei.
„Für Elise“ heißt die Kreation der Rosenschule Kordes aus Elmshorn bei Hamburg. „Die Züchtung einer Rose inklusive der Entwicklung und Testung dauert etwa zehn Jahre.  Als das Grünflächenamt der Stadt Bonn vor etwa zwei Jahren auf uns zukam, haben wir eine fertige herausgesucht. Die Wahl fiel auf eine Rose mit kräftigem Duft und einer auffälligen, tief violetten Farbe“, erzählt Thomas Proll, Züchtungsleiter von Rosen-Kordes. Rosa x hybrida ,Für Elise‘, wie sie im Rosenlatein heißt, ist großblumig, buschig und robust. „Bei der Namensgebung darf man ruhig mal ein bisschen um die Ecke denken. Jeder, der Klavier gespielt hat, kennt ,Für Elise‘ und verbindet das Stück sofort mit Ludwig van Beethoven.“ In der Tat ist das Klavierstück in a-Moll von 1810 eines der beliebtesten Werke Beethovens, gleichzeitig aber auch eines der rätselhaftesten. Denn als Widmungsträgerin dieses rondoartigen Stücks kommen gleich mehrere Frauen aus Beethovens Umfeld in Betracht. Doch ob es die „Elise für Beethoven“ überhaupt gab, war für die Popularität stets unerheblich. „Seiner“ Rose diesen Namen zu geben verweist jedenfalls auf eine nicht ganz unerhebliche Leerstelle in Beethovens Leben, denn der Komponist, der stets Heiratsabsichten pflegte, blieb Junggeselle.
Die beiden Taufpatinnen Elke Büdenbender und Petra Fendel-Sridharan (vorne), (hinten, von links nach rechts) Rosenzüchter Thomas Proll, Wilhelm Alexander Kordes (Geschäftsführer der Rosenschule Kordes‘ Söhne), Oberbürgermeister Ashok Sridharan, Jazzfest-Leiter Peter Materna, Ralf Birkner (kaufmännischer Geschäftsführer der Beethoven-Jubiläumsgesellschaft)
Die beiden Taufpatinnen Elke Büdenbender und Petra Fendel-Sridharan (vorne), (hinten, von links nach rechts) Rosenzüchter Thomas Proll, Wilhelm Alexander Kordes (Geschäftsführer der Rosenschule Kordes‘ Söhne), Oberbürgermeister Ashok Sridharan, Jazzfest-Leiter Peter Materna, Ralf Birkner (kaufmännischer Geschäftsführer der Beethoven-Jubiläumsgesellschaft)

Die Poesie der Musik im Duft

Seit jeher wurden Rosen nach berühmten Persönlichkeiten benannt, denn dieses Naturwunder nimmt eine Sonderstellung der Flora ein. „Wenn Zeus den Blumen eine Königin geben wollte, müsste die Rose diese Krone tragen.“ So setzte die antike griechische Dichterin Sappho die Blume auf den Thron. Die Rose ist nicht nur eine der schönsten Blumen, sondern auch eine der ältesten. Die ersten ihrer Art gab es bereits fünfzig Millionen Jahre vor dem Menschen. Von einer Handvoll Wildrosen-Arten geht die Entwicklung von etwa 30.000 Sorten aus. Gegen Fressfeinde weiß sie sich mit ihren Stacheln zu wehren. Auch hier herrscht Vielfalt in Form und Farbe, so dass die viel besungenen Dornen der schönen Rose Waffen und Zierde gleichermaßen sein können. 

Bratschist und Festivalleiter Nils Mönkemeyer, dessen Rosenbegeisterung im elterlichen Garten begann, hat seine Rosenschere immer im Bratschenkoffer dabei. Denn er sammelt Rosengewächse und nimmt, selbstverständlich im Rahmen der Legalität, hier und da einen Steckling oder eine Hagebutte, die Frucht der Rose, vom Wegesrand mit. Besonders die alten Sorten haben es ihm angetan – wegen des Geruchs. Für Mönkemeyer trage die Rose „die Poesie in ihrem Duft“ – der wiederum eines der großen Geheimnisse der Blume ist. Auch hier ist das Spektrum der Aromen mannigfaltig. Geraniol als Haupt-Aroma lässt uns unweigerlich an eine Rose denken. Zu diesem charakteristischen Geruch können sich noch Bergamotte, aber auch überraschende Noten wie Pferdeschweiß, Zuckerwatte, geschnittene grüne Blätter oder Ethanol mischen. Hier liegt der große Unterschied zwischen den duftenden Beetrosen und den geruchlosen Schnittrosen, die durch Farben und Langlebigkeit in der Vase bestechen. Sie kommen aus den Tropen ganzjährig zu uns und stehen im Blumenhandel mit Abstand an erster Stelle. So kaufen die Deutschen für rund drei Milliarden Euro im Jahr Schnittblumen,  rund 41 Prozent davon sind Rosen, gefolgt von der Tulpe mit je 12 Prozent. „Bei den spektakulärsten und teuersten Aufträgen sind eigentlich immer Rosen im Spiel“, weiß Fleurop-Sprecherin Christine Veauthier. „Dabei muss es allerdings nicht immer die rote Rose sein. Sehr beliebt sind auch helle Pastellfarben wie Rosa, Gelb und zartes Orange – und im Rahmen eines steigenden ökonomischen Bewusstseins die Fairtrade-Rosen.”

Rosenliebhaber Nils Mönkemeyer © Irène Zandel
Rosenliebhaber Nils Mönkemeyer © Irène Zandel

Generationsübergreifend sexy

Als Symbol der Liebe ist ihr Charme zeitlos. „Der Rosenstrauß, den der Enkel seiner Großmutter zum Muttertag schenkt, ist ebenso willkommen wie die eine rote Rose, die der Teenager am Valentinstag vom Lover bekommt. So generationenübergreifend sexy ist sonst keine Blume“, schwärmt Proll und verweist auf die manchmal essenzielle Bedeutung des Namens: „Ganz viele Pflanzen für Beet und Balkon haben Namen, werden aber einfach nach Farben verkauft. Das ist bei einer Rose unmöglich! Die Menschen kaufen Rosen wegen der Namen und wollen auch wissen, was sich für eine Geschichte dahinter verbirgt.“
Fest steht: Unter den Rosenzüchtern gibt es viele Musikliebhaber, die ihre Pflanzen gewordenen Visionen nach musikalischen Helden benennen, zum Beispiel der renommierte tschechische Rosenzüchter Jan Böhm (1888-1959), der in den dreißiger Jahren eine Dvořák- und eine Smetana-Rose in sein Sortiment nahm. Dabei erscheint die Benennung der Dvořák-Rose besonders passend: Ihr Namenspatron schrieb nicht nur Lieder für die Rose, sondern baute auf seinem Anwesen, der Villa Rusalka in Wysoka mit einem acht Hektar großen Landschaftsgarten im englischen Stil, auch Obst an und züchtete Tauben.  Von Paul McCartney über Chopin, Bach, Britten und Händel bis zu Edith Piaf reicht die Huldigungsliste, und bunt sind auch die Anlässe, die zur Namensgebung führten. Die Benennung der Franz-Liszt-Rose in Fuchsienrot mit Honignote geht auf den finnischen Pianisten Henri Sigfridsson zurück, der 1994 den 1. Preis beim Internationalen Franz Liszt-Wettbewerb gewann. Viele dieser Züchtungen sind leider nicht mehr im Handel. Der belgische Rosenzüchter Louis Lenz betreibt noch eine Duftrosen-Serie mit Komponisten-Namen, darunter die Sibelius-Rose, die sich auch in der Sammlung von Nils Mönkemeyer befindet. Ihm würde noch – passend zur bereits getauften Clara Schumann-Rose – eine Robert Schumann-Rose fehlen, die es noch zu taufen gilt. 
Eine der beiden Taufpatinnen der Rose „Für Elise“ ist Elke Büdenbender, Ehefrau des Bundepräsidenten Frank-Walter Steinmeier © Sascha Engst/Bundesstadt Bonn
Eine der beiden Taufpatinnen der Rose „Für Elise“ ist Elke Büdenbender, Ehefrau des Bundepräsidenten Frank-Walter Steinmeier © Sascha Engst/Bundesstadt Bonn
„Für Elise“ wird jetzt in vielen öffentlichen Beeten Bonns Wurzeln schlagen und ziert bereits das Grab von Beethovens Mutter auf dem Alten Friedhof in Bonn sowie das Beethoven-Denkmal auf dem Münsterplatz.
Rosen sind übrigens anspruchsloser als ihr Ruf. Eine gesunde Sorte am richtigen Standort verträgt auch tagelange Regenschauer,  wobei „Für Elise“ eher das milde Rhein-Klima bevorzugt. Jetzt im Herbst beginnt in den Rosenschulen die Versandzeit der Wurzeln. Man kann nun die nackten Rosen einpflanzen und sich nächstes Jahr über die Blütenpracht freuen: für eine florale Verlängerung des Beethoven-Jahres im eigenen Garten.
Aufmacherbild: © Sascha Engst/Bundesstadt Bonn