Jedenfalls theoretisch. Wenn man praktisch nämlich weder vermögend noch wohlhabend ist und auch der große Lottogewinn schon viel zu lange auf sich warten lässt, kann man beim herrschenden Klassikangebot meist leider nicht aus dem Vollen schöpfen, sondern muss mit Bedacht selektieren. Vor allem für die großen Hochkulturveranstaltungen der renommierten Orchester, Solisten und Sänger muss man zum Teil tief in die Tasche greifen, um in den Live-Genuss ihrer Musik kommen zu können. Tickets für Festspielkonzerte sind meistens zwar ein wenig günstiger, aber nicht jedes Festival, das einen interessiert, findet auch in der unmittelbaren Umgebung statt. Mit Fahrtkosten und Hotelübernachtungen kommt da auch schnell ein erkleckliches Sümmchen zusammen.
Jeder hat ein Recht auf Klassik
Und selbst wenn man spart und selektiert, sind die Eintrittspreise – auch in ermäßigter Form – für Studenten, Arbeitslose oder Rentner trotzdem oft genug noch utopisch. Dabei sollte wirklich jeder ein Recht auf klassische Musik haben – was durchaus möglich ist, wenn man zwei Grundsätze beachtet. Zum einen darf man sich nicht an die großen Namen der Szene klammern. Auch kleinere Orchester und unbekanntere Solisten haben ihre Qualitäten und setzen oft genug musikalische Glanzlichter. Zum anderen schadet es nicht, wenn man ab und zu um die Ecke denkt. Denn dann findet man zahlreiche kostengünstige oder sogar kostenlose Konzerte.
Für alle, die das Glück haben, in einer der vierundzwanzig deutschen Städte zu leben, die eine Musikhochschule beheimaten, lohnt sich zum Beispiel ein regelmäßiger Blick ins Veranstaltungsprogramm dieser Institutionen. Ob nun Diplomkonzert oder andere musikalische Abende mit den Studierenden – oft kosten die Eintrittskarten nur fünf bis fünfzehn Euro. In einigen Städten sind die Prüfungskonzerte sogar kostenlos. Gespielt wird immer auf hohem Niveau. Und wer weiß – vielleicht hört man bei solchen Gelegenheiten ja auch schon den Klassikstar von morgen?
Von Kirchen und Konzertmuscheln
Wer sich für geistliche Musik interessiert, wird vor allem bei den Programmen der Kirchen fündig. In größeren Gotteshäusern finden häufig Chor- und Orgelkonzerte statt, die wenig, manchmal sogar gar nichts kosten. Wobei eine Spende am Ausgang immer gerne gesehen wird. Vor allem im Juli und August locken viele Gemeinden in Städten mit vielfältigen Orgelsommerprogrammen. Falls man aber lieber in der frischen Luft Klassik im Sommer genießen möchte, ohne ein kostenpflichtiges Festival zu besuchen, ist auch das kein Problem. Von Garmisch-Partenkirchen bis nach Sylt tummeln sich in diversen Parks oder Wiesen oder Kur- und Strandpromenaden die Konzertmuscheln des Landes, wo vor allem an den Wochenenden und in einigen Orten zu Hochzeiten sogar täglich Konzerte der unterschiedlichsten Art stattfinden.
Ein Kurparkorchester lässt sich zwar nicht mit den Berliner Philharmonikern vergleichen, obwohl auch hier durchweg höchst talentierte Profimusiker am Werk sind, aber das muss es auch nicht, da die Intention solcher Kurkonzerte ja auch eine ganz andere ist: Die Programme sind kürzer und oft gefälliger. Quasi als leichte Klassikdosis, an der man sich einfach kurz erfreuen kann. Selbiges gilt dann übrigens auch für all die Wasserlichtkonzerte in größeren Parkanlagen, wie zum Beispiel Planten un Blomen in Hamburg, die vom Frühling bis zum Herbst allabendlich mit unterschiedlichen Musikprogrammen aufwarten.
Lunchkonzerte versüßen den Alltag
Solche kleinen und leichteren Veranstaltungen im Bereich der klassischen Musik gibt es übrigens wie Sand am Meer. Viele größere Orchester bieten zum Beispiel kostenlos sogenannte Lunchkonzerte an: als klassikaffiner Mensch nimmt man sich sein Mittagessen einfach mit zum jeweiligen Veranstaltungsort und verspeist es, während das Orchester ein 30-minütiges Kurzprogramm spielt.
Kostenlose Klassikkonzerte findet man – zumindest in Großstädten – auch regelmäßig in den öffentlichen Büchereien. Die Bücherhallen in Hamburg laden zum Beispiel einmal im Monat zu solch einem Konzert ein. In Hamburg ist übrigens auch die Alte Druckerei Ottensen angesiedelt, in der man regelmäßig kostenlos Kammermusik genießen kann. Wer in Berlin wohnt, der kennt vielleicht das Kulturkaufhaus von Dussmann. Auch hier gibt es regelmäßig kleine Klassikkonzerte, für die man keinen Eintritt zahlen muss.
Berlin ist in Sachen Klassik ohnehin immer eine Reise wert. Im Sommer kommen noch diverse kostenlose Open-Air-Veranstaltungen dazu. So gibt es im Tiergarten von März bis Oktober zahlreiche kostenlose Klassikkonzerte. Das Besondere daran: Das dort stehende Carillon spielt fast immer musikalisch eine Rolle. Während man den klassischen Klängen lauscht, kann man hier zudem auch noch das ein oder andere Picknick veranstalten, was ja durchaus charmant sein kann.
Europas größtes Klassik-Open-Air
Wer im Süden der Republik wohnt, für den könnte vielleicht „Oper für alle“ in München etwas sein. Hier werden Opern live auf großen Leinwänden und über zahlreiche Lautsprecher übertragen. Traditionell bringen sich die meisten Besucher Decken mit, um nebenbei zu picknicken. Beim Thema Picknick könnten jetzt die Menschen aus Franken vielleicht hellhörig werden, denn in Nürnberg lädt die Staatsphilharmonie mit Picknick im Park auch in diesem Sommer an drei Tagen zu Europas größtem Klassik-Open-Air ein.
Alle hier genannten Veranstaltungen sind aber nur die Spitze des Eisberges, wenn es um klassische Musik für den kleinen Geldbeutel geht. Wenn man bereit ist, sich auch einmal vom großen Konzertsaal zu lösen und andere Veranstaltungen in Betracht zu ziehen, wird man in jeder Stadt und jeder Gemeinde schnell fündig werden.