Musikkomödianten wie der Hamburger Publikumsliebling Wendt knöpfen sich gern Werke der sogenannten ernsten Musik vor. Denn das vermeintlich Erhabene hat eine Falltiefe, die sich für Späße hervorragend ausbeuten lässt. So reiht auch der niederländische Klavierkabarettist Hans Liberg nahtlos aneinander, was stilistisch weit auseinanderliegt, vermischt Beethovens „Für Elise“ mit Lennons „Yesterday“ und Mancinis „Pink Panther“, führt uns Mozart als hibbeligen Rapper vor oder spielt dessen G-Moll-Sinfonie im Salsa-Rhythmus. Der Witz nistet in Gegensätzen und Überraschungen, die Liberg treffsicher in die Tasten hämmert.
Salut Salon lässt die Küken tanzen
Auch bei Fritz Reuter kommt es zu unvorhersehbaren musikalischen Karambolagen, wenn etwa Beethovens „Ode an die Freude“ unversehens zur „Happy Birthday“-Melodie mutiert. Auf seinem brandneuen Album „Der verflixte Beethoven“ hat der Klavier-Entertainer die Sonaten des Wiener Klassikers auf Samba, Foxtrott und Ragtime getrimmt. Zudem zaubert Reuter für sein Publikum so manches Aha-Erlebnis aus dem Hut und erklärt, dass ein Komponist wie Smetana in seiner „Moldau“ auch nur mit Wasser kocht: Für das Thema seiner berühmten Komposition habe der findige Tscheche sich des Kinderliedes „Alle meine Entchen“ bedient und lediglich einen Ton verändert. In der Hymne auf den majestätischen Fluss piepsen die Entlein deshalb in Moll.
Wer den Witz in der klassischen Musik sucht, findet ihn auch beim Hamburger Quartett Salut Salon. Mit Klavier, Cello, zwei Geigen und clownesker Akrobatik überspringen die vier Frauen sämtliche Genre-Grenzen. Da sind Vivaldi und Weill, Bach und Bruder Jakob, Tango und Tarantella nur wenige Takte voneinander entfernt. Handpuppe Oskar wirft bei Schuberts „Forellenquintett“ seine Angelschnur in den geöffneten Flügel, und bei Mussorgskys „Ballett der Küken in ihren Eierschalen“ verwandelt sich die Pianistin in ein aufgeregt piependes Vogelkind. Und wenn die vier Frauen das Klischee weiblichen Konkurrenzgebarens auf die Schippe nehmen und sich mit virtuosen Kunststücken buchstäblich in den Vordergrund drängen, sind ihnen die Lacher des Publikums sicher.
Beethovens Fünfte in fünf Sekunden
Die Lacher ganz auf ihrer Seite haben auch Geiger Aleksey Igudesman und Pianist Hyung-ki Joo, wenn sie die Gepflogenheiten der Klassikbranche und des gepflegten Instrumentenspiels gekonnt gegen den Strich bürsten. Einmal versucht Joo mit drakonischen Methoden, dem duckmäuserischen Igudesman in einer fingierten Unterrichtsstunde Joplins „Entertainer“ beizubringen. Ein anderes Mal präsentiert das Duo unter dem Motto „Moments Musicaux“ berühmte Klassikwerke wie Beethovens Fünfte und Mozarts „Kleine Nachtmusik“ – Corona-gerecht reduziert – in jeweils fünf Sekunden. Mit Holzleisten für breit aufgefächerte Rachmaninow-Akkorde trieben Igudesman & Joo übrigens schon eine Dekade früher als Joja Wendt ihren Spaß.
„Eine kleine Nachtmusik“ gehört natürlich auch zum Repertoire der MozART group, die das Stück in eine flotte Country-Nummer verwandelt. Das in Warschau beheimatete Streichquartett zeigt bei seinen Clownerien vollen Körpereinsatz, gleitet bei Abbas „Dancing Queen“ auf glatten Sohlen über die Bühne, imitiert zum „Titanic“-Soundtrack das Auf und Ab des Wellengangs, schlägt mit seinen Streicherbögen zischende Rhythmen in der Luft, verwandelt sie pantomimisch in Federballschläger, Springseil, Pfeil und Bogen.
Arie oder Katzenjammer?
So federleicht kann sich der Auftritt eines Streichquartetts anfühlen, einer Musikerformation, die man sonst nur im Bereich der klassischen Musik antrifft. Wobei jene Musik, die in Abgrenzung zur Unterhaltungsmusik heute oft als „ernst“ gebrandmarkt wird, sich dem Humor gegenüber nie verschlossen hat. Bester Garant dafür ist Joseph Haydn, der in seinen Sinfonien mit Späßen nicht geizte. Schon in deren Titeln deuten Bären, Hennen, Uhren, Schulmeister und Philosophen auf manch klingenden Schabernack. Einmal zwingt der Komponist das im langsamen Satz friedlich dahindämmerde Publikum mit einem unerwarteten Paukenschlag wieder zur Aufmerksamkeit. Ein Andermal lässt er die Musiker mitten in der „Abschiedssinfonie“ einzeln von der Bühne abtreten, um dem Auftraggeber des Werks die Urlaubsreife des Orchesters anzuzeigen.
Unüberhörbar dem Humor verpflichtet ist auch Mozarts „Musikalischer Spaß“, der mit falschen Tönen, aus dem Ruder laufenden Rhythmen und sich prahlerisch in den Vordergrund spielenden Instrumentalisten die Unzulänglichkeiten laienhafter Dorfmusikanten reflektiert. Ebenfalls ins Kabinett kurioser Komik gehört dessen sechsstimmiger Kanon „Leck mich im Arsch“, während Beethovens Rondo „Die Wut über den verlorenen Groschen“ seinen Witz erst aus der nachträglichen Titelgebung bezieht. Einen schönen Einfall hatte auch der britische Tonsetzer Robert Lucas Pearsall als er noch zu Rossinis Lebzeiten Arien aus dessen Oper „Otello“ zu einem „Katzenduett“ verstrickte, bei dem die Sänger lediglich das Wort „Miau“ zu singen haben.
Wo der Witz im Gleichschritt marschiert
Nicht ganz so vordergründig wie bei diesem beliebten Zugabenklassiker zeigt sich der Witz in Camille Saint-Saëns’ Orchestersuite „Karneval der Tiere“, in der der Komponist aus Werken seiner Kollegen zitiert und diese parodiert, indem er sie in einen zoologischen Kontext stellt. Als Meister des feinen Humors präsentierte sich auch Prokofjew mit seinen Charakterstudien im Musikmärchen „Peter und der Wolf“, während sein Landsmann Schostakowitsch mit der ironischen Doppelbödigkeit und dem bissigem Humor seiner Opern und Sinfonien immer wieder die Zensoren des Stalin-Regimes auf den Plan rief. Über Pathos und Heroismus machte sich auch Paul Hindemith lustig, als er 1923 sein Streichquartett „Minimax – Repertorium für Militärmusik“ komponierte. Und wenn vom klingenden Klamauk die Rede ist, darf Richard Strauss’ Tondichtung „Till Eulenspiegels lustige Streiche“ ebenfalls nicht fehlen.
Man hält sich an das, was alle kennen
Der Humor hat seinen festen Platz in der klassischen Musik. Wurde er früher in die Werke „hineinkomponiert“, sind es heute einzelnen Interpreten und Ensembles, die das klassische (und anderes) Repertoire als Fundus für ihre komödiantischen Programme nutzen. Ein Pionier dieser Art von Unterhaltung war der dänisch-amerikanische Pianist Victor Borge, der schon in den 1930er-Jahren seine Auftritte mit humoristischen Elementen würzte und damit auch Zuhörer abseits des traditionellen Klassikpublikums ansprach. Menschen, denen der Witz einer Haydn-Sinfonie womöglich verschlossen bliebe, weil ihnen die zugrundeliegenden musikalischen Kodes nicht geläufig sind, aus deren Missachtung der Witz resultiert. Das ist der Grund, weshalb auch Musikkomödianten wie die Bläserformation der Münchner Philharmoniker „Blechschaden“ oder „The Ukulele Orchestra of Great Britain“ zuvorderst das allgemein bekannte Repertoire abarbeiten. Hier lässt sich der komische Überraschungseffekt am besten kalkulieren. Klassikkenner, die den Witz auf tieferer Ebene suchen, werden dabei womöglich enttäuscht. Musikalisch wie clownesk exzellenten Komödianten wie das Duo Igudesman & Joo, das den Witz oft aus dem Wesen der klassischen Musik selbst schöpft, lassen sich dagegen an einer Hand abzählen.
Aufmacherbild © Thomas Mayer