Herr Merlo, wann haben Sie das erste Mal auf einem Shigeru-Kawai-Flügel gespielt?
Andrea Merlo: Das war in Pescara bei Angelo Fabbrini, dem bekanntesten Klaviertechniker, -stimmer und -verkäufer Italiens, der auch die Carnegie Hall beliefert. Ich war mit meiner Familie bei Fabbrini und durfte mir ein Instrument aussuchen, habe sehr lange auf vielen ganz wunderbaren Instrumenten gespielt und mich am Ende für ein Shigeru-Kawai-Flügel entschieden.
Was war ausschlaggebend für diese Entscheidung?
Merlo: Ich erinnere mich noch genau: Ich habe Liszt gespielt und spürte sofort eine enge Verbindung mit dem Instrument. Diese Klangfarbe … Da entstand sofort etwas … Ich hatte auch das Gefühl, dass das Instrument sehr hochwertig und robust ist und eine sehr beständige Mechanik hat. Außerdem hat mir das Spielgefühl sehr gut gefallen. Die Tastatur war sehr körperlich, mit einem sehr gleichmäßigen Widerstand und einer hervorragenden Reaktion. Das Instrument, für das ich mich entschieden habe, ist fantastisch. Jedes Mal wenn ich nach Hause komme, habe ich den Eindruck, auf dem besten Flügel zu spielen, den ich mir wünschen kann.
Wie würden Sie die Seele, den Charakter Ihres Instruments beschreiben?
Merlo: In einem Shigeru-Kawai-Flügel treffen sich Asien und Europa. Man spürt die Hingabe, mit der die Konstrukteure und Techniker arbeiten und mit der sie dem Pianisten ihren Respekt erweisen, damit er mit sich selbst in ein harmonisches Gleichgewicht gelangt. Ein typisch japanischer Gedanke, der meiner Meinung nach auch in den Instrumenten von Shigeru Kawai zum Tragen kommt, deren Teile fast alle in Handarbeit gefertigt werden. Hier kommen Präzision und Qualität zusammen, die Ausdruck der Liebe zur Kunst des Pianisten sind.
Nicht auf jeder Konzertbühne steht ein Shigeru-Kawai-Flügel. Wie erleben Sie das Spiel auf ständig wechselnden Instrumenten?
Merlo: Wenn man lange auf einem bestimmten Instrument spielt, prägt das die eigene Klangvorstellung. Die große Herausforderung für einen Pianisten ist, diese Klangvorstellung im Konzertsaal dann auch auf anderen Instrumenten zu realisieren. Aber wenn ein Shigeru-Kawai-Flügel auf der Bühne steht, ist das fast wie eine Garantie, dass Sie ein schönes Konzert erleben werden.
Was sollte ein Instrument neben hochwertiger Technik und schönem Klang noch bieten?
Merlo: Wichtig ist für mich die Möglichkeit, die Klangqualität variieren zu können. Ein guter Flügel sollte sich für jede Art von Musik eignen: Klassik, Jazz oder auch Pop. Auch Bach, Beethoven und Brahms bewegen sich in komplett unterschiedlichen Welten. Daher ist es wichtig, dass das Instrument ein klangliches Zentrum hat, von dem aus der Pianist alles erreichen kann. Shigeru Kawai bietet mir genau das.
Wie würden Sie die Beziehung zu Ihrem Instrument beschreiben?
Merlo: Mein Flügel ist für mich ein Spiegel meiner Seele. Das fühlt sich an wie eine bedingungslose Liebe und Unterstützung. Dieses Vertrauen in das Instrument ist für mich enorm wichtig.
Warum ist die Marke Shigeru Kawai für viele immer noch ein Geheimtipp?
Merlo: Das liegt an der Gewohnheit. Wir sind seit Generationen einen ganz bestimmten Klang gewohnt. Aber inzwischen hat eine neue Ära begonnen mit neuen Gedanken, Idealen und Farben. Das ist vergleichbar mit unserer Küche. Wo konnte man vor zwanzig Jahren hier in Europa Sushi oder vietnamesisch essen? Shigeru Kawai ist wie ein exzellentes Restaurant, das uns auf einen neuen Geschmack bringt, der mit der Zeit immer wichtiger werden könnte. Schon heute zählt Shigeru Kawai zu den fünf, sechs führenden Herstellern von Konzertflügeln. Bei Klavierwettbewerben werden Sie neben wenigen anderen Marken auch immer wieder auf Shigeru Kawai stoßen. Das hat etwas zu bedeuten.
Es findet ein Umdenken statt?
Merlo: Ich glaube schon. Als Prof. Dr. Herbert Bruhn, der Betreiber des Konzertraums „Alte Druckerei Ottensen“, einen neuen Flügel kaufen wollte, habe ich ihm Shigeru Kawai empfohlen. Herbert ist ein großer Flügel-Experte und war zuerst skeptisch. Schließlich hat er eingewilligt, sich die Instrumente bei Kawai Hamburg anzuhören. Er war ganz hin und weg und hat sich dann tatsächlich für eines dieser Instrumente entschieden.
Erinnern Sie sich noch an ihren ersten Besuch bei Kawai Hamburg? Wie haben Sie die Geschäftsleiterin Anne-Sophie Desrez kennengelernt?
Merlo: Das war im November 2018. Ich wollte mich mit dem Pianisten Markus Altenkamp auf ein Konzert in der Alten Druckerei vorbereiten. Anne-Sophie hat uns dann angeboten, bei Kawai Hamburg zu proben.
Eine rein spekulative Frage: Was würden Bach, Beethoven oder Chopin sagen, wenn sie einen modernen Shigeru-Kawai-Flügel ausprobieren könnten?
Merlo: Vielleicht müssten sie sich einige Monate auf so ein völlig neues Instrument einstellen, aber dann hätten sie ihre wahre Freude daran. Ich kann mir keinen Komponisten oder Musiker vorstellen, der mit einem solchen Klang nicht glücklich wäre.
Können Sie den Klang Ihres Instruments näher beschreiben?
Merlo: Ich kann seine Energie, seine Seele fühlen, aber wenn ich dafür ein Adjektiv wähle, wäre das schon eine Begrenzung. Dieser Flügel gibt mir einfach alle Möglichkeiten. Ich könnte sagen, es ist ein purer, idealistischer, zugewandter und im besten Sinne verpflichtender Klang – da kommen wir jetzt schon in fast transzendente Regionen.
Aufmacher: Thomas Zydatiß