Die Schallplatte ist tot. So lautete das Urteil der Phonoindustrie Anfang der 1990er Jahre, nicht einmal zehn Jahre nach der Markteinführung der CD. Tatsächlich, so scheint es jedenfalls, ist die einst so weit verbreitete „Platte“ in Zeiten von Streaming- und Downloaddiensten aus dem aktiven Bewusstsein der Menschen verschwunden, passt sie doch augenscheinlich nicht mehr in das so schnelllebige Konsumverhalten der modernen Gesellschaft – ein Medium aus vergangenen Tagen sozusagen. Längst sind Plattenläden aus dem Stadtbild verschwunden, in denen Menschen mit Kopfhörern andächtig auf die quadratischen 31,5 cm x 31.5 cm großen Cover blickten und gespannt Probe hörten. Einzig in Clubs zu später Stunde sind Schallplatten noch in der Öffentlichkeit zu beobachten, Tendenz jedoch auch hier schwindend.

Der Niedergang der seit ihrem Durchbruch Anfang des 20. Jahrhunderts kommerziell immer beliebter gewordenen Schallplatte sollte tatsächlich bis heute beispiellos bleiben. Die Absatzzahlen sprechen eine deutliche Sprache: Wurden bis zur Einführung der CD im Jahr 1984 noch bis zu 71,1 Millionen Schallplatten in Deutschland verkauft, sanken die Verkäufe innerhalb von zehn Jahren auf 600.000 Exemplare. Die LP wurde zum Nischenprodukt – bei Sammlern, Nostalgikern und DJs zwar beliebt, von der breiten Konsumgesellschaft jedoch links liegen gelassen. Doch entgegen aller Schwarzmalerei der Plattenlabels Ende des letzten Jahrhunderts ist die LP heute keinesfalls in der Versenkung verschwunden. Im Gegenteil: Viele Labels setzen heute wieder vermehrt auf Vinyl, denn seit Jahren steigt der Absatz der Schallplatte – wenn auch langsam – wieder an, seit 2010 allein in Deutschland immerhin um 2,7 Millionen Exemplare. 2016 erzielte der Verkauf von Schallplatten weltweit einen Umsatz von 563,6 Millionen US-Dollar. Die Platte ist damit zur rentablen Nische geworden.

Daran hat nicht nur die Popmusikindustrie ihren Anteil: Auch bei Klassikliebhabern erlebt die LP eine Renaissance. Viele Labels bringen ihre Neuerscheinungen zusätzlich zur CD auch als Platte heraus, längst vergriffene Vinyl-Veröffentlichungen werden wieder aufgelegt, limitierte Sondereditionen in besonders hochwertigen Pressungen angeboten. Parallel dazu erlebt der Handel mit Originalpressungen einen regelrechten Boom, gut erhaltene Exemplare erzielen in Sammlerkreisen Höchstpreise. Glück für diejenigen, die zur Zeit des Niedergangs haufenweise Platten aufkauften oder ihre Sammlungen einmotteten statt wegzugeben.

Rückbesinnung

Eine Ursache für den verstärkten Trend zum Vinyl findet sich in den digitalen Vermarktungsstrategien der Plattenlabel selbst, nämlich in dem Wunsch der Konsumenten nach einem haptischen Produkt in Zeiten von Downloadangeboten und Streamingportalen. Zudem ist der Klang von Aufnahmen, wiedergegeben von einer Schallplatte, ein immer wieder ins Feld geführtes Argument für den Erwerb eines Longplayers. Warm und dynamisch soll er sein – dass moderne Aufnahmen mit digitaler Technologie entstehen und erst bei der Pressung ins analoge Zeitalter zurückkatapultiert werden, scheint keine Rolle zu spielen. Ende gut, alles gut? Natürlich nicht. Die Glanzzeiten sind und bleiben der Vergangenheit zugehörig. Dass die Schallplatte aber das Zeug zum Premiumprodukt für Liebhaber besitzt, bewies sie in jüngster Vergangenheit hinlänglich – für ein totgesagtes Medium mit über einhundert Jahren auf dem Buckel kein schlechter Erfolg.