Doch was bleibt anderes übrig: Als wohlbekannte Folge weiterhin andauernder Corona-Maßnahmen halten die Kulturinstitutionen vielerorts noch immer ihre Türen fest verschlossen. Darum ist Kultur derzeit meist nur an einem Ort erlebbar: zu Hause. Wer sich nach Kunst und kulturellen Erlebnissen sehnt, muss dann auf das aktuelle Online-Angebot zurückgreifen. Zum Glück im Unglück hat sich dieses seit Ausbruch der Pandemie, quasi aus der Not heraus, um einige Dimensionen erweitert, quantitativ wie qualitativ. Nahezu alles ist heute virtuell zu erleben, sei es das klassische Sinfoniekonzert, der Opernball – oder der Museumsbesuch. Während nun zahlreiche Konzert- und Opernhäuser die musikalische Kultur durch Livestreams und Online-Aufführungen am Leben zu erhalten versuchen, haben auch die Museen ihren Weg zur digitalen Innovation eingeschlagen und erweitert, um auch den bildenden Künsten weiterhin ein Gesicht in der Krise zu geben. Auf diese Weise ist eine ganze Reihe an verschiedenen neuartigen Formaten entstanden, die den Museumsbesuch von zu Hause aus individuell ermöglichen.
„Allein im Museum“
Nah am Werk, informativ und kompakt geht es beispielsweise der Rundfunksender arte an. In der coronabedingt entstandenen Video-Reihe „Allein im Museum“ setzen sich Kuratorinnen und Kuratoren aus verschiedenen europäischen Kunstmuseen mit je einem Lieblingswerk ihrer Sammlungen auseinander. In den knapp zehnminütigen Videos erfährt man allerhand Interessantes über die Hintergründe und Besonderheiten der einzelnen Werke sowie auch über die zugehörige Künstlerin oder den zugehörigen Künstler.
Vorgestellt und erklärt von den Expertinnen und Experten werden Bilder aller Epochen und Stile – von Raffaels „Sixtinischer Madonna“ in der Dresdner Gemäldegalerie Alte Meister über Rembrandts Gemälde der „jüdischen Braut“ im Amsterdamer Rijksmuseum bis hin zur „Woman Power“ der österreichischen Gegenwartskünstlerin Maria Lassnig, deren Werk sich heute in der Albertina Modern in Wien befindet.
Der Mona Lisa so nah kommen, wie nie zuvor
Doch auch die Museen selbst haben ihre Ausstellungsräume mittels verschiedener Ansätze ins Netz verlagert. Ein ähnliches Format wie „Allein im Museum“ hat beispielsweise das Bucerius Kunst Forum in Hamburg angenommen. In der Videoreihe „Curator’s View @Home“ stellt Kuratorin Kathrin Baumstark die Werke der Ausstellung „Georges Braque. Tanz der Formen“ mit kleinen Clips vor. Ergänzt wird das Ganze durch weitere Online-Terminveranstaltungen wie Kurzvorträge und Video-Rundführungen.
Tatsächlich kann der digitale im Vergleich zum realen Besuch auch durchaus einige Vorteile mit sich bringen: Wen zum Beispiel die endlosen Menschenschlangen an den Toren touristischer Hotspots wie dem Pariser Louvre ebenso abgeschreckt haben wie das Gedränge vor den darin ausgestellten Hauptwerken, der hat es nun deutlich leichter. Gerade der Louvre, die wahrscheinlich berühmteste Kunstweihestätte der Welt, ist wie viele andere dem digitalen Ruf gefolgt und stellt nun mehrere kleine Online-Touren durch die Petite Galerie mit verschiedenen Ausstellungen zur Verfügung. Neben den virtuellen Rundgängen durch die Räumlichkeiten gibt es noch weitere interessante Features. Besonders faszinierend: die Kategorie „A Closer Look“. Hier können Sammlungshöhepunkte wie da Vincis „Mona Lisa“ unter den drei Gesichtspunkten „Beobachten, Verstehen und Vergleichen“ mittels zahlreicher Tools wie Infrarot- und Röntgenfilter genauestens unter die Lupe genommen und intensiv studiert werden.
Virtuelle Rundgänge und Online-Führungen
Auch bei den deutschen Museen hat sich in Sachen Digitalisierung einiges getan. Das Berliner Bodemuseum bietet einen virtuellen 360°-Rundgang durch seine Hallen an. Auch die anderen staatlichen Museen auf der Berliner Museumsinsel (Altes und Neues Museum, Alte Nationalgalerie, Pergamonmuseum) lassen sich mit 3D-Modellen, Live-Rundgängen sowie Sonderausstellungen erkunden und sind rund um die Uhr online „begehbar“. Ein übersichtlicher Zugriff auf die Onlineangebote der Berliner Museumsinsel findet sich auch über ihre Zusammenarbeit mit Google Arts & Culture.
Für die digitale Besichtigung der Ausstellung „Caravaggio. Das Menschliche und das Göttliche“ in der Dresdner Gemäldegalerie Alte Meister kann man sich sogar exklusiv einen kostenfreien Live-Rundgang via Videokonferenz buchen. Die Ausstellung ist aber auch auf eigene Faust virtuell begehbar, ebenso wie das ebenfalls in Dresden befindliche Carl-Maria-von-Weber-Museum.
Digitales Denken für die Zukunft der Museen
Egal ob Stadt-, Naturkunde- oder Technikmuseen wie das von interaktiven Online-Angeboten sprudelnde Deutsche Museum in München: Sie alle setzen mehr denn je auf die digitalisierte Gegenwart – und Zukunft. Denn eigentlich ist der Grundgedanke eines umfangreichen Internetauftritts musealer Institutionen gar kein neuer. Ein Beispiel dafür ist Baden-Württemberg: Bereits 2017 hat das Land im Rahmen der Digitalisierungsstrategie die Förderlinie „Digitale Wege ins Museum“ ins Leben gerufen, die Ende letzten Jahres abgeschlossen wurde.
„Die digitale Öffnung unserer Museen ist eines unserer Hauptanliegen“, erklärt die Baden-Württembergische Kunststaatssekretärin Petra Olschowski. „Mit dem Förderprogramm ‚Digitale Wege ins Museum‘ konnten wir einen wichtigen Impuls in die baden-württembergische Museumslandschaft geben.“ Es seien dabei nicht nur hervorragende Projekte entstanden wie Games, eine „Expothek“ (eine Art Bibliothek nur mit Ausstellungstücken statt Büchern, die den direkten Zugang zu ausgewählten Objekten ermöglicht), Chatbots oder interaktive Datenbanken – Angebote, die in Corona-Zeiten noch größere Bedeutung und Dringlichkeit erlangt haben. Darüber hinaus sei es gelungen, in wenigen Jahren ein digitales Denken in den Häusern zu etablieren.
Ein Preis für museale Innovation
Dass die Digitalisierung der Museen bundesweit vorangeschritten ist, wird auch durch den im Oktober 2020 erstmals vergebenen DigAMus Award ersichtlich. Durch diesen Preis für „Digitale Angebote der Museen“ soll vor allem die allgemeine Aufmerksamkeit für die zahlreichen und vielfältigen Online-Projekte der einzelnen Museen verstärkt werden. Von den über hundert eingereichten Beiträgen wurden sieben Gewinner in sieben Kategorien von Publikum und Jury ausgewählt. So ist beispielsweise die Kunsthalle Karlsruhe Preisträger in der Kategorie „Online-Ausstellungen & 360°“, das Goethe Museum Düsseldorf gewann in der Kategorie „Social Media & Video“, der Preis für „Podcasts“ ging an das Museum für Naturkunde Berlin.
Die Integration des digitalen Raums in Kunst und Kultur wird auch für Museen immer wichtiger werden – mit oder ohne Corona. Kunst vom Sofa aus zu erfahren und zu erleben mag für die meisten wohl mehr eine Notlösung statt eines gleichwertigen Ersatzes sein. Aber gerade in Krisenzeiten kann neben Streamingkonzerten und Online-Opern auch der virtuelle Gang ins Museum die Phase des kulturellen Verzichts zumindest zeitweise überbrücken. Oder um es erneut mit van Gogh zu sagen: „Mit einem Bild möchte ich etwas Tröstliches sagen, so wie Musik tröstlich ist.“
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