Der Spitzenklangkörper aus Oberfranken meint es ernst in Sachen Nachhaltigkeit und hat diese seit der Spielzeit 2021/2022 öffentlich zum Ziel erklärt. Eine ambitionierte Aufgabe für das Orchester, das zu den reisefreudigsten der Branche zählt und seit zwanzig Jahren als „Bayerische Staatsphilharmonie“ auch in der Rolle des Kulturbotschafters rund um den Globus auftritt. Ohne Reisen und den damit verbundenen CO2-Emissionen geht es nicht. Innerhalb Zentraleuropas wird mit Bus und Bahn gefahren, international setzt man möglichst auf Direktflüge, im Idealfall kommt dabei sogenannter „Sustainable Aviation Fuel“ zum Einsatz, das heißt, das herkömmliche, klimaschädliche Kerosin wird zu einem hohen Anteil durch Biokraftstoffe ersetzt. Auf den Komfort von Chartermaschinen verzichten die Musikerinnen und Musiker zugunsten der Umwelt.
Palmenhain auf Gran Canaria renaturieren
Noch wichtiger als die Reduktion von Emissionen ist jedoch deren möglichst hohe Kompensation. Anstatt einfach den entsprechenden Geldbetrag an einen Anbieter zu überweisen, der dafür auf irgendeinem Flecken Erde (hoffentlich) einige Bäume anpflanzt, unterstützen die Bamberger Symphoniker als erstes Orchester von Weltrang dezidiert lokale Projekte an ihren jeweiligen Tourneeorten. „Wir suchen nach Partnerschaften und Initiativen, die konkret etwas bewegen, und zwar dort, wo es nötig ist“, sagt Intendant Marcus Rudolf Axt. So wie auf Gran Canaria, wo die Musiker 2023 zu Gast waren, und mit Hilfe einer NGO die Renaturierung eines seit Jahrhunderten ausgetrockneten Palmenhains angestoßen haben, und das buchstäblich, denn Axt und Chefdirigent Jakub Hrůša griffen selbst zur Schaufel und brachten Setzlinge ein. „Wenn wir in zwei Jahren wieder dort sind, dürften die schon zwei Meter hoch sein.“
Doch nicht nur Veranstalter und die beteiligten Organisationen sollen vom Engagement des Orchesters wissen. Vielmehr will man jeden Konzertbesucher auf das Thema Nachhaltigkeit aufmerksam machen und informiert daher im jeweiligen Programmheft über das unterstützte Projekt. „Naturschutz und Verantwortung für das Klima sind nunmehr Teil unseres Auftrages als Kulturbotschafter“, sagt Axt. „Lesen fünftausend Zuhörerinnen und Zuhörer bei einem Festival das Heft, haben wir unkompliziert ebenso viele Multiplikatoren gewonnen, die bei der Planung ihrer nächsten Urlaubsreise womöglich ins Grübeln kommen. Diesen Hebel können wir als Tourneeorchester sehr gut bedienen.“ Auch im heimischen Bamberg leisten die Symphoniker ihren Beitrag und pflegen seit 2023 eine Streuobstwiese mit einhundert Bäumen in den Terrassengärten der Klosteranlage am Michaelsberg.
Nachhaltigkeitsimpulse kommen aus dem Orchester
Bereits vor fünf Jahren habe es Überlegungen auf Seiten der Orchesterverwaltung gegeben, wie man nachhaltiger werden könnte. Als entscheidender Katalysator wirkte letztlich die reisefreie Pandemiezeit. „Vor allem junge Musikerinnen aus dem Orchester sind während der Pandemie zu uns gekommen, haben konstatiert, dass wir auf Tournee doch nicht klimafreundlich sind und haben so die Überlegungen aktiv mit angeschoben“, berichtet Axt. Nach und nach sei es gelungen, einen breiten Konsens unter den 111 angestellten Musikern zu erreichen. Schwieriger wogen anfangs indes die strukturellen Hürden. Das Bemühen um Nachhaltigkeit hat seinen Preis, staatliche Förderungen für die Kultur durften jedoch nicht einfach für Umweltschutz ausgegeben werden, sodass man anfangs auf das Wohlwollen und die Unterstützung der privaten Mäzene des Orchesters angewiesen war, erinnert Axt.
Es sind viele kleine und große Stellschrauben, an denen die Bamberger Symphoniker in der Planung und Durchführung einer Tournee gemeinsam mit Veranstaltern und Reiseagentur drehen: von der Wahl des Hotels (klimazertifiziert und dennoch nahe am Saal, schließlich werden abends musikalische Spitzenleistungen verlangt) über das Catering und die Frage nach dem Mineralwasser hinter der Bühne (zur Verfügung gestellte Mehrwegflaschen wie beim Edinburgh International Festival seien mitnichten der Standard) bis hin zur Bitte nach dem Abstellen des Motors von Shuttlebussen beim Warten auf das Orchester. Auch das künstlerische Programm wird im Voraus unter Klimaaspekten betrachtet. Ein einzelnes Stück, das zusätzlichen Orchesterapparat und damit erheblichen Mehrplatz im Flieger erforderte, aber nur einmal auf Tournee gespielt würde, käme nicht mehr in Frage, sagt Axt und freut sich, dass er hier von Anfang auf „offene Ohren“ bei den Veranstaltern gestoßen ist.
Das intensive Bemühen der Bamberger Symphoniker um Nachhaltigkeit im ohnehin dicht getakteten Tourneebetrieb ist bislang einzigartig. Gleichwohl betont Axt, dass „Qualität, Klang und Tradition“ des Spitzenensembles nach wie vor an erster Stelle stehen.
Aufmacherbild: © Bamberger Symphoniker