Musik war also kein eigenes Lehrfach am Bauhaus. Bei den Bauhaus-Abenden in Weimar traten jedoch regelmäßig renommierte Interpreten wie Eduard Steuermann oder Adolf Busch auf; Paul Klee, Wassily Kandinsky und Johannes Itten waren zudem hochmusikalisch. Das Bauhaus vereinte die Künste unter einem Dach und wagte es zudem, Kunst und Alltag in Einklang zu bringen. Musik diente als ein Ordnung schaffendes Prinzip der bildenden Künste. Unter vielen Bauhäuslern wurde besonders leidenschaftlich die gerade neu aufgekommene Zwölftonmusik diskutiert. Das Interesse für Neue Musik beschränkte sich keineswegs auf den Reiz des Modernen, man stellte sich vielmehr die Frage nach dem Zweck der Musik.
Die Bauhauskapelle spielte eine besonders wichtige Rolle im internen Musikleben
Schon in Weimar haben sich Bauhäusler zu einem Ensemble zusammengetan, das schnell berühmt wurde, weil es nicht nur auf den hauseigenen Festen auftrat, sondern auch bei Gastauftritten in anderen Städten Werbung für die Schule machte. Dadurch sollte das Bauhaus als wichtiger Kulturstandort im Deutschen Reich gestärkt werden. Bei diesen eher repräsentativen Veranstaltungen wurde bis 1921 bemerkenswerterweise vor allem Barockmusik aufgeführt. Insbesondere Musik von Bach war in den Anfangsjahren das verbindende Glied zwischen dem Bauhaus und dem eher konservativen Weimarer Kulturbürgertum. Doch die Vorliebe für Alte Musik spiegelte auch die expressionistische Grundausrichtung der Bauhaus-Anfänge wider. Diese orientierten sich an der mittelalterlichen Bauhütte und so galt dieser Rückbezug als eine Art Neubeginn.
Eine besonders wichtige Rolle spielte im internen Musikleben die Bauhauskapelle. Auf selbst organisierten Festen der Schüler erklangen bei den improvisierten Musikaufführungen Jazzklassiker, Gassenhauer, Volkslieder, aber auch Stücke von Bach oder Mozart. Eine Trennung von U- und E-Musik gab es nicht. Gespielt wurde auf klassischen Instrumenten wie Posaune, Banjo oder Klarinette, aber auch auf Drähten, Nägeln oder Stühlen. In der Bauhaus-Woche 1923 gab sich die Spitze der zeitgenössischen Musik die Ehre, angefangen bei Igor Strawinsky über Kurt Weill bis hin zu Paul Hindemith. Hindemith war schon seit einiger Zeit mit dem Bauhaus-Meister Oskar Schlemmer bekannt, der für den Komponisten die Bühnenbilder für Aufführungen zweier Einakter 1921 in Stuttgart geschaffen hatte. Im darauffolgenden Jahr sorgte Schlemmer mit der Uraufführung seines „Triadischen Balletts“ selbst für Aufsehen.
Oskar Schlemmer feilte sein ganzes Leben an seinem „Triadischen Ballett“
Wobei „Uraufführung“ nicht ganz das passende Wort ist, denn der aus Stuttgart stammende Maler und Theatervisionär feilte sein ganzes Leben an seinem experimentellen Ballet, das nie einen endgültigen Zustand erlangte. Ständig erfand er weitere Tänze, Choreografien und Kostüme. Und ebenso häufig wechselte auch die Musik. Warum, ist unklar. So erklang mal Musik von Enrico Bossi, aber auch Debussy, Haydn, Mozart und sogar Händel. In Donaueschingen wurde das Ballett zu einer Neukomposition von Hindemith für Mechanische Orgel aufgeführt. Für den Choreografie-Wettbewerb in Paris 1932 verwendete Schlemmer eine Tanzsuite von Alois Pachernegg nach alten Meistern mit dem Titel „Deutsches Barock“.
Auch wenn das „Triadische Ballett“ mit dem Bauhaus in Verbindung gebracht wird, so hat es doch seine Wurzeln in Stuttgart, wo Oskar Schlemmer schon 1916, drei Jahre vor Gründung des Bauhauses, Teile im Rahmen einer Wohltätigkeitsveranstaltung aufführte. In den 1920er Jahren erlebte auch Stuttgart eine aufregende Zeit mit einer jungen Kunstszene. Einige der Ideen, die damals in Thüringen entwickelt wurden, dürfen gar als Importe aus Baden-Württemberg gelten.
Schon seit 1905 lehrte Adolf Hölzel an der Kunstakademie, der als wichtiger Vertreter der Moderne gilt und der um sich begabte junge Künstler wie Oskar Schlemmer, Johannes Itten, Willi Baumeister und Ida Kerkovius versammelte. In der Staatsgalerie Stuttgart, wo neben dem „Triadischen Ballett“ weitere wichtige Werke von Oskar Schlemmer zu sehen sind, hängen zudem regelmäßig Bilder von Willi Baumeister und Ida Kerkovius, ebenso Bilder von Otto Dix, unter anderem das Triptychon „Großstadt“.
Aber Stuttgart sind nicht nur Kunstwerke aus den Goldenen Zwanzigern geblieben: Der Tagblattturm – eines der Wahrzeichen der Stadt – wurde 1924 als erstes Stahlbeton-Hochhaus Deutschlands geplant. Einst gab es dort sogar den mit 15 Stockwerken höchsten Paternoster der Welt. Heute ist in dem Gebäude das Kulturareal „Unterm Turm“ zu Hause, das mehrere Theater und kulturpädagogische Einrichtungen beheimatet. Zum Waldfriedhof, wo unter anderem Oskar Schlemmer und Adolf Hölzel begraben liegen, fährt schon seit 1929 die alte, hölzerne Standseilbahn, die einst den Spitznamen Witwen- oder Erbschleicher-Express hatte. Nachts trifft sich die Stuttgarter Szene entweder an einem ehemaligen Klohäuschen von 1926, am Palast der Republik in der Friedrichstraße, oder in der glamourösen Cocktailbar „Jigger & Spoon“ im Stil der 1920er Jahre, die sich in einem ehemaligen Banktresor befindet.
Seit 2016 gehören die beiden Le-Corbusier-Häuser zum Weltkulturerbe der UNESCO
Die Weißenhofsiedlung in Stuttgart zählt fraglos zu den herausragenden Beispielen für Bauhaus-Architektur. Das Musterhaus von Le Corbusier aus dem Jahr 1927 ist heute ein Museum. Seit 2016 gehören die beiden Le-Corbusier-Häuser zum Weltkulturerbe der UNESCO. Nur dank des Stuttgarter Gemeinderats, der damals sehr visionär dachte und für die Pläne von Mies van der Rohe stimmte, entstanden die 33 Häuser, von denen heute noch zwei Drittel stehen. Bei den regelmäßigen Führungen durch die Siedlung werden die Häuser von Walter Gropius, Mies van der Rohe, Hans Scharoun und Co. aus ihren besten Perspektiven gezeigt und erläutert. Ab 6. Juni 2019 schickt die Staatsgalerie Stuttgart Künstler mit ihrem Publikum auf Touren abseits bekannter Wege im Rahmen des Projekts „Weissenhof City“.
Wer in Baden-Württemberg noch mehr Bauhaus entdecken möchte, kann in aller Ruhe auf der Homepage der Tourismus Marketing GmbH Baden-Württemberg stöbern – oder gleich nach Karlsruhe fahren: Als die Stadt auf der Suche nach innovativen Lösungen für die Wohnraumknappheit war, schrieb sie 1928 einen „Wettbewerb für eine neuzeitliche Mustersiedlung“ aus. Walter Gropius wirkte dort als Chefplaner und entwarf selbst drei Gebäude. Ergebnis ist die Dammerstocksiedlung, die bei Führungen besichtigt werden kann. In Böblingen lohnt ein Besuch des ehemaligen Empfangsgebäudes auf dem Flugfeld, das inzwischen ein Restaurant beherbergt. Nach Bad Urach lockt das „Haus auf der Alb“. Das ehemalige Kaufmannserholungsheim, heute Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, wurde 1930 im Bauhaus-Stil eröffnet.
Die Hochschule für Gestaltung Ulm gilt als bedeutendste Design-Hochschule nach dem Bauhaus
Und auch am Bodensee gibt es Bauhaus zu entdecken: Am Seerhein in Konstanz sind die Ländebauten des Bauhäuslers Hermann Blomeier interessant, die früher als Wartehallen, Cafés und Läden am Fährhafen dienten. Das denkmalgeschützte Zeppelin Museum in Friedrichshafen ist zwar keine reine Bauhaus-Architektur, steht jedoch für den Stil der Neuen Sachlichkeit und wurde 1933 eingeweiht – das Jahr, in dem die Nationalsozialisten das Bauhaus in Dessau schlossen.
Viele Künstler emigrierten und ließen das Bauhaus in Chicago oder Tel Aviv weiterleben. Und doch lebte auch in Deutschland das Bauhaus weiter – und zwar in Ulm. Dort wurde die Hochschule für Gestaltung Ulm (HfG) 1953 unter anderem von Inge Aicher-Scholl, Otl Aicher und Max Bill, der zugleich Architekt der Hochschule war, gegründet. Sie bestand bis 1968 und gilt als bedeutendste Design-Hochschule nach dem Bauhaus.
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Aufmacherbild: Kostüme aus Oskar Schlemmers Triadischem Ballett © Gregor Lengler / TMBW