In der Zeit von 1800 bis 1820 wurden eine Reihe unterschiedlicher Zeitmesser für den Gebrauch in der Musik erfunden. Für das heimische Wohnzimmer waren sie allerdings nicht zu gebrauchen: Das Pendel für langsame Tempi war mannshoch, ziemlich schwer und überaus sperrig. Anfang des 19. Jahrhunderts hatte dann der in Amsterdam lebende deutsche Uhrmacher Dietrich Nikolaus Winkel eine bahnbrechende Idee. Er verkürzte die unhandliche Pendellänge und konstruierte ein Stabpendel: Die Aufhängung wurde ins untere Viertel der Länge verlagert und mit Gewichten und Gegengewichten gearbeitet. Winkel nannte seine Idee „Chronometer“.
Vom Chronometer zum Metronom
Größere Bedeutung erlangte das Messen der Zeit für musikalische Zwecke aber erst nach 1815. Johann Nepomuk Mälzel, ein in Regensburg geborener Instrumentenbauer, erfand in Paris einen neuen Taktmesser. Damit ist er der Aufforderung mehrerer Musiker gefolgt, unter anderem Luigi Cherubini, Johann Nepomuk Hummel, Conradin Kreutzer oder Louis Spohr. Mälzels wichtiger Beitrag zur Erfindung war, dass er die Minute als Bezugsgröße nahm. Sein neuer Taktmesser verfügte also über die entscheidende Qualität, dass er mit der Anzahl von Schlägen pro Minute ein Zeitmaß generierte, das überall auf der Welt verstanden wurde. Deshalb konnte sein Instrument sogar selbst als Messgrundlage für eine mögliche Standardisierung herhalten. Daran hatte Winkel gar nicht gedacht.
Mälzel erweiterte das Chronometer also um eine Skala, ergänzte es um einen Federaufzug und ließ es als Metronom patentieren. Das sorgte zunächst für Streit mit Winkel, aber das Metronom setzte sich dennoch durch. Dank der Skala konnte sich die Musikwelt nun auf deutlich präzisere Angaben verständigen als nur auf Adagio, Allegro oder Presto.
Beethoven und das Metronom
Beethoven verwendete Mälzels Taktzeichen als Erster. Er war ganz begeistert von der neuen Erfindung, mit der er den Interpreten seinen Willen aufzwingen konnte. Denn mehr als einmal war der Maestro erbost über Virtuosen, die sich ständig Freiheiten im Zeitmaß seiner Klavierstücke herausnahmen. Als es jedoch zu einem Rechtsstreit zwischen ihm und Mälzel kam – es ging um Urheberrechtsfragen des Werks „Wellingtons Sieg oder die Schlacht bei Vittoria op. 91“ – änderte Beethoven seine Meinung um 180 Grad. Von nun an bezeichnete er das Metronom „als dummes Zeug, man muss die Tempos fühlen“. In seiner achten Sinfonie machte er sich gar über die neue Erfindung lustig.
Ein Gefühl für den Takt
Immer wieder wurde heiß diskutiert, ob ein Gerät zur Taktmessung überhaupt verwendet werden soll oder eben nicht. Kritikern war das mathematische Zeitmaß viel zu mechanisch und sie befürchteten, dass die individuelle Interpretation eines Musikstücks darüber verloren gehen könnte. Für viele blieb das Metronom lange Zeit nur eine Spielerei, bis eine anonyme Abhandlung 1836 schließlich die zwei wohl wichtigsten Eigenschaften eines Metronoms herausstellte: Zu einen gibt es dem Komponisten eine gewisse Kontrolle über die Aufführung seines Werks und zum anderen hilft es Anfängern dabei, ein Taktgefühl zu entwickeln.
Bald wurde die Idee des Metronoms auch für außermusikalische Zwecke benutzt: Der 1840 fürs britische Militär gebaute „Army Preceptor“ besitzt nur drei Geschwindigkeitsstufen, nämlich slow, quick und double-quick. Mit diesem Metronom ließ sich unter anderem die Marschgeschwindigkeit von Truppen definieren. Auch gibt es ein Hypnose-Metronom mit Blinklicht, das nach und nach langsamer wird und zu dessen Klacken monotone Formeln gesprochen werden müssen; Taktgeber takten in Computer-Prozessoren und das Prager Mentronom, eine Kunst-Installation von Vratislav Karel Novák, erinnert seit 1991 an den unerbittlichen Lauf der Zeit. In Zeiten von Smartphone und Co. lassen sich sogar Profimusiker den Takt von Handy-Apps vorgeben – kein Wunder, dass man inzwischen selbst in Musikschulen immer seltener Metronome findet.
Ligeti und die Messung der Zeit
Dafür aber manchmal auf der Bühne: Der in einer jüdisch-ungarischen Familie in Rumänien geborene Komponist György Ligeti war ein Pionier der elektronischen Musik, der sich von der klassisch-romantischen Tradition absetzen wollte. Viele seiner Kompositionen handeln von Zeit und ihrer Messung. Das wohl beste Beispiel dafür ist sein „Poème symphonique“: ein – so der Untertitel – „musikalisches Zeremoniell“ für einhundert Metronome (Typ: pyramidal mechanische).
Die skandalträchtige Uraufführung des ungewöhnlichen Stücks fand im September 1963 im Rathaus der niederländischen Stadt Hilversum statt. Zunächst wurde es von Ligeti noch als ironisches Happening inszeniert – in einer „Fluxus-Zeremonie“ wurden die Metronome von zehn Ausführenden feierlich in Gang gesetzt und der Komponist trat selbst als Dirigent auf. Später verzichtete er aber auf diesen Ablauf, da er ihn für überflüssig hielt.
100 Metronome für die Münchner Symphoniker
Am 17. Januar führen die Münchner Symphoniker im Herkulessaal der Residenz Ligetis „Poème symphonique“ für 100 Metronome auf: „Mechanische Metronome sind in unserem digitalen Zeitalter vom Aussterben bedroht“, meint Kevin John Edusei, der das Konzert im Herkulessaal dirigieren wird. „Ligetis Stück sollte man mindestens einmal in seinem Leben gehört haben!“
Wenn Sie sich näher mit der Geschichte des Metronoms beschäftigen wollen, lohnt sich ein Ausflug nach Basel: Die Ausstellung „Auf Takt! Metronome und musikalische Zeit“ spürt der Geschichte des Metronoms nach und zeigt eine umfassende Sammlung. Alle dort gezeigten Stücke stammen aus der Musikinstrumentensammlung des Londoners Tony Bingham – über 175 Pulsgeber, Taktrichter und Dauerticker sind dort momentan versammelt und können noch bis zum 4. Februar 2018 im HMB – Museum für Musik in Basel bestaunt werden.
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