Von Hektik keine Spur
„Sagen Sie, was genau findet hier heute statt?“, fragt ein aufmerksamer Passant einen Sicherheitsmann am Absperrzaun auf der Wasserseite des Konzerthauses. Hier hat das Fernsehteam vom ZDF seine mächtigen Übertragungswagen platziert, drei an der Zahl, davor jeweils mobile Zelte, allesamt voll mit Technik, Kabeln und Bildschirmen.
Am Abend der Verleihung wird hier die sogenannte „Masterregie“ sitzen und entscheiden, welche Kameraeinstellung dem Klassik-Fan vor dem TV-Gerät präsentiert wird. Von Hektik kann bei den vorbeilaufenden Fernsehtechnikern keine Rede sein, eher ein geschäftlich-routiniertes Treiben beherrscht das Bild. Dennoch, beim Blick in das mit Technik vollgestellte Vorzelt des Ü-Wagens ertönt gleich ein freundlich-bestimmtes „Bitte nicht im Weg stehen bleiben“. Hier muss jeder Handgriff sitzen, immerhin hat das Team insgesamt nur zweieinhalb Tage Zeit für die Vorbereitungen vor Ort.
Mittagessen zwischen Kabeltrommeln und Fernsehgeräten
Hinein geht es über das Tor 3 auf der Gebäuderückseite. Für jeden zum Produktionsteam gehörenden Mitarbeiter gibt es hier einen Ausweis – wer nicht im Computersystem registriert ist, erhält keinen Einlass. Mit dem Fahrstuhl geht es in den zweiten Stock. Im dortigen Kaistudio, wo sonst experimentelle Konzertformate und Workshops stattfinden, kümmert sich das Cateringpersonal um das leibliche Wohl des Teams, aufgestellte Fernsehgeräte ermöglichen jederzeit den Blick auf die im großen Saal bereits auf Hochtour laufenden Proben. Auf den Gängen vor den Garderoben stehen unzählige Kisten mit Equipment, schließlich muss jedes Kabel geprüft werden, bevor es an seinen Bestimmungsort gebracht wird.
ECHO Klassik 2017: Die heiligen Hallen
Eine Etage höher hat das Fernsehteam vom ZDF seine Redaktionsräume bezogen. Hier werden die Abläufe der dreistündigen Aufnahme am Sonntag-Nachmittag bis ins kleinste Detail geplant. Bis zur Ausstrahlung am Abend bleibt nur wenig Zeit, entsprechend konzentriert ist das Team. Hinderlich sind da die weiten Wege im Gebäude. Vor den Fahrstuhltüren bilden sich Gruppen: Die einen wollen nach oben, die anderen nach unten – leider ist das Fahrstuhlangebot begrenzt, auch gibt es keinen Lift der vom Erdgeschoss bis in die oberste Etage durchfährt. „Am Tag der Verleihung werden sich Besucher, Journalisten und Künstler jeweils auf anderen Wegen durch die Elbphilharmonie bewegen“, erklärt ein Mitarbeiter des Produktionsteams, „das muss im Vorweg genau durchdacht werden.“
Vorbereitungen im Verborgenen
Auf dem Weg in den zehnten Stock wandert der Blick auf die Plaza, hier wird vor der Verleihung der Rote Teppich für die Künstler ausgelegt. Dass noch nichts auf den Starandrang des nächsten Tages hindeutet, ist ein weiterer Hinweis auf die bemerkenswerte Gelassenheit der Veranstaltungsmitarbeiter. So weit das Auge reicht, drängen sich Touristen, die Meisten von ihnen ahnen weiterhin nicht, was in den für sie unzugänglichen Bereichen vor sich geht.
Im zehnten Stock angekommen, wird im kleinen Saal gerade das Pressezentrum eingerichtet. Techniker sorgen an den für die Journalisten aufgestellten Schreibtischen für ausreichend Stromversorgung, zudem muss ein stabiler Internetzugang ermöglicht werden. Im eigentlichen Bühnenbereich steht die signifikante Fotoleinwand mit dem ECHO-Motiv, vor dem die Künstler, nachdem sie den Preis entgegen nehmen durften, für die Presse posieren werden. Die Techniker liegen gut in der Zeit, auch hier keine Anzeichen von Hektik. Im obersten Teil des Gebäudes befinden sich weitere Backstagebereiche und Künstlergarderoben, nicht zu vergessen die Maske im elften Stock des Gebäudes.
Abgeschirmt vom Trubel
Bemerkenswert ist der kurze Blick in das Herzstück des Gebäudes, dem großen Saal. Nichts von den Vorbereitungen und dem Touristenandrang dringt hier hinein. Absolute Stille. Komplett in rotes Licht gehüllt, sitzen die Mitglieder des Philharmonischen Staatsorchesters auf der Bühne, am Dirigentenpult steht Kent Nagano. Gemeinsam werden die letzen Feinheiten abgestimmt, nahezu lautlos testen Kameramänner ihre Bildeinstellungen. Rechts auf der Bühne ist bereits die Empore für die Laudatoren installiert, links vor der Bühne und damit unsichtbar für die Fernsehzuschauer überwacht ein Regieteam auf großen Bildschirmen das Geschehen.
Auf dem Weg nach draußen geht der Weg durch das menschenleere „Helmut und Hannelore Greve-Foyer“, in dem die Aftershowparty stattfinden wird. Die Vorbereitungen für das Fest danach beginnen erst am Tag darauf. Vor dem Fahrstuhl hat sich wieder eine Gruppe gebildet. „Wir fahren nach unten!“ – das Wegeproblem beschäftigt einfach jeden im Gebäude. Am Tor 3 sammelt eine Mitarbeiterin die Besucherausweise wieder ein. Draußen ist es noch stürmischer geworden. Die Touristen scheint es nicht zu stören.
Aufmacherbild: Johann Buddecke