Ludwig van Beethoven liebte die Natur. Für den Komponisten war sie Inspirationsquelle und Ort der Erholung zugleich. Der Legende nach schrieb der Bonner seine berühmte sechste Sinfonie, die „Pastorale“, am Ufer des Schreiberbachs zwischen den Wiener Vororten Nußdorf und Grinzing. Dort beobachtete er das bunte Treiben der Wachteln, Nachtigallen und Kuckucke. Ob seine Sinfonie allein deswegen zustande kam, ist zweifelhaft, fest steht jedoch, dass er in der „Pastorale“ seiner großen Liebe zur Natur ein unvergängliches Denkmal gesetzt hat. Doch Beethoven ging es weniger um Naturschilderungen als um die wechselseitige Beziehung zwischen Mensch und Natur. „Man überlässt es dem Zuhörer, die Situationen auszufinden“, bemerkte der Komponist und lieferte damit zugleich eine Steilvorlage für das bewusst offen gehaltene „Beethoven Pastoral Project“.

Weltumwelttag wird zum „Pastoral Day“

Mit dem „Beethoven Pastoral Project“ setzt die Beethoven Jubiläums Gesellschaft ein klangvolles Statement zum Klima- und Umweltschutz. Das Projekt wurde im Rahmen der UN-Weltklimakonferenz in Bonn im November 2017 vorgestellt und läuft bis zum „Pastoral Day“ am 5. Juni 2020. Die Aktion möchte, ausgehend von Beethovens „Pastorale“, Aufmerksamkeit für das Thema „Mensch und Natur“ schaffen – seien es Spotlights auf Fragen des Umweltschutzes oder die Ziele des Pariser Klimaabkommens, schließlich ist Bonn nicht nur Beethovenstadt, sondern auch Sitz des UN-Klimasekretariats.

Beethoven am Bache die Pastorale komponierend © gemeinfrei
Beethoven am Bache die Pastorale komponierend © gemeinfrei

Weltweit haben sich Solisten, Künstler, Ensembles und Orchester über die Plattform pastoralproject.org vernetzt, um ihre eigene Version der „Pastorale“ zu kreieren und gleichzeitig die Diskussion rund um Themen des Klima- und Umweltschutzes voranzutreiben. Die kreativen Ergebnisse werden im Livestream am 5. Juni 2020, um 18 Uhr, dem Weltumwelttag, präsentiert. Wie oft wohl der Kuckuck zu hören sein wird? Denn Beethoven war bei weitem nicht der einzige Komponist, der sich vom Gesang der Vögel inspirieren ließ. Davon zeugen einfache Volkslieder bis hin zu Werken der klassischen Musik.

Nachtigall und Kuckuck

Die berühmteste Sängerin unter den einheimischen Vögeln ist zweifellos die Nachtigall. Ihr Gesang ist äußerst variabel und ein Wechselspiel aus vielfältigen Trillern und langgezogenen, wohlklingenden Tönen. Auf viele Menschen wirkt ihr Gesang eher melancholisch – vielleicht weil er nachts erklingt. Die wohl erste erhaltene musikalische Imitation von Nachtigallengesang stammt vom französischen Renaissance-Komponisten Clément Janequin. In seinem reinen Vokalwerk „Le Chant des oiseaux“ (Gesang der Vögel) erinnern abgehackte Tonwiederholungen abwechselnd mit lang ausgehaltenen Tönen an charakteristische Eigenschaften des Nachtigallengesangs. Und auch Georg Friedrich Händel fügte in einem Orgelkonzert die Gesänge von Nachtigall und Kuckuck – ein weiterer beliebter Kandidat für Komponisten – zu einem wohlklingenden Duett zusammen.

Das Gackern des Haushuhns

Doch offensichtlich eignen sich nicht nur Singvögel mit wohlklingenden Gesängen, wie Lerche, Singdrossel, Wachtel oder Nachtigall, für die musikalische Wiedergabe, sondern auch ganz gewöhnliches Geflügel. Der französische Barockkomponist Jean-Philippe Rameau hat mit „La poule“ (das Huhn) ein witziges Cembalostück geschrieben. Ebenso Ottorino Respighi, der sich ganz besonders oft damit vergnügte, barocke Lautmalerei nachzubilden, etwa in seiner hübschen Suite „Gli uccelli“ von 1927 mit der gackernden Henne Gallina.

Die berühmte Cellomelodie aus Camille Saint-Saëns’ „Der Schwan“ hat wiederum nichts mit der Stimme des Schwans zu tun, sondern erinnert schlicht an die Eleganz dieses Tieres. Dem Komponisten ging es also nicht um Vogelstimmenmusik, sondern vielmehr um Vogelstimmungsmusik. Und das Werk „Cantus Arcticus“ des Finnen Einojuhani Rautavaara kombiniert Orchesterbesetzung mit vom Tonband zugespielten unveränderten Vogelstimmen, die eigens am Polarkreis aufgenommen wurden.

„Exzessive Verwendung“ von Vogelgesängen bei Olivier Messiaen

Olivier Messiaen © Rob C. Croes/Anefo Nationaal Archief/Wikimedia Commons

Unbestritten ist es jedoch Olivier Messiaen, auf den die Vogelwelt den wohl größten Einfluss gehabt hat. Der französische Komponist gibt für seine Musik drei Hauptaspekte an: seinen katholischen Glauben, den Tristanmythos und seine tiefe Bewunderung für die Natur, der er insbesondere durch eine „exzessive Verwendung“ von Vogelgesängen Ausdruck verleihe. Zugleich betrachtete er den Vogel als Zeichen der Freiheit. „Wir marschieren, er fliegt. Wir führen Krieg, er singt. Der Großteil der Kämpfe zwischen Vögeln wird durch Gesangsgefechte ausgetragen“, erklärt Messiaen.

Doch warum singen Vögel überhaupt? Sie verteidigen ein Revier und locken mit ihrem Gesang auch Weibchen an, hauptsächlich während der Brutzeit. Daher hört man Vogelgesang vor allem ab dem Spätwinter bis Ende Juli. Fast alle Vogelarten singen früh am Morgen am intensivsten. Dabei hat jede Vogelart einen anderen Zeitpunkt für den morgendlichen Gesangsbeginn, der durch die zunehmende Tageshelligkeit vorgegeben wird. Dabei stimmen die einzelnen Arten in jeweils gleicher Reihenfolge in das morgendliche Vogelkonzert ein. Wer selbst die Ohren spitzen und schulen möchte, kann sein Wissen beim NABU-Vogelstimmenquiz testen und 40 bekannte Vogelarten spielend kennenlernen.

Vögel lieben Klassik

Nicht-Singvögel wie beispielsweise Storch und Specht sind keineswegs stumm, sondern erzeugen Instrumentallaute, wie Schnabelklappern, Trommeln oder Gefiederflattern. Nicht zu vergessen sind die Spötter, die Gesänge von anderen Vögeln sowie verschiedenste Geräusche nahezu perfekt nachahmen können. Wolfgang Amadeus Mozart war einst von einer Melodie aus seinem G-Dur-Klavierkonzert so angetan, dass er sie seinem Vogel „Stahrl“ beibrachte. Zu seiner großen Freude konnte der zahme Star sie sogar nachpfeifen – wenn auch nicht ganz sauber. Gesanglich zu den lernfähigsten Vögeln gehört der Gimpel. Im 18. Jahrhundert hielt man Jungvögel dieser Art in Käfigen und brachten ihnen auf der Flöte Melodien bei.

Klapperstorch © adege/Pixabay

2017 präsentierten Wissenschaftler der Universität Tübingen einen 40.000 Jahre alten Teil einer Knochenflöte. Das Fragment aus einem Gänsegeierknochen wurde in der Vogelherdhöhle im Lonetal auf der Schwäbischen Alb gefunden, ist gut vier Zentimeter lang und gehört zu den ältesten Musikinstrumenten weltweit. Damals wie heute gilt: Musik ist im sozialen Verhalten inbegriffen. Sie schafft Solidarität, stärkt das Gemeinschaftsgefühl und verbindet Menschen und Kulturen. Musik aktiviert im menschlichen Gehirn Nervenzellen, die Glücksgefühle auslösen. Ganz ähnliche Hirnreaktionen lassen sich laut amerikanischen Biologinnen übrigens bei weiblichen Singvögeln nachweisen, wenn sie dem Balzgesang eines Männchens lauschen.

Und wenn mal kein männlicher Artgenosse in Sicht ist, nehmen Vögel auch vorlieb mit Menschenmusik. Für ihr Projekt „Pandora Bird“ präparierte die Künstlerin Elizabeth Demaray 2016 in New York gemeinsam mit Computerexperten eine Vogelfutterstelle mit Kamera und Lautsprechern, aus denen die unterschiedlichsten Musikstile ertönten. Damit wolle die Künstlerin daran erinnern, dass Städte menschengemacht sind und auch Vögel sich an schönen Tönen erfreuen. Statt Großstadtlärm also Wohlklang für die gefiederten Freunde. Das Ergebnis sei ganz eindeutig: Vögel lieben Klassik!

Hören Sie hier „Cantus Arcticus“ von Einojuhani Rautavaara:

Aufmacherbild: Céline Martin/Pixabay