Dass in Instrumenten tierische Produkte stecken, ist für viele Menschen zunächst eine Überraschung. Beim Nachdenken fallen den meisten dann die Bogenhaare von Geigen ein, mancher kennt auch die schaurige Legende der Stradivari-Geigen, deren besonderer Klang angeblich daher rühre, dass sie in Pferde-Urin getaucht wurden. Beim Instrumentenbau werden aber noch deutlich mehr Tierprodukte verwendet als man gemeinhin annimmt.

Knochen, Leder und Oktopustinte

In Klavieren ist etwa Filz aus Schafswolle in den Dämpfern und den Hämmern, oder Elfenbein in alten Tastaturen verarbeitet. Außerdem werden Instrumententeile häufig mit Knochenleim oder Hautleim verklebt, der durch Auskochen aus tierischen Abfällen gewonnen wird. Bei Pauken wiederum bestehen die Trommelfelle aus Leder, die Schlägel können aus Filz oder Leder gefertigt sein. Die meisten Tierteile findet man jedoch in Streichinstrumenten: Rosshaar, Elfenbein, Perlmutt- oder Schildpattverzierungen, Darmsaiten. Sogar der Zettel mit dem Herstellernachweis im Innern des Instruments kann mit Oktopustinte geschrieben worden sein.

Klaviatur
Nur noch selten anzutreffen: Klaviatur aus Elfenbein © weinstock: pixabay

Verwendung von tierischem Material in Instrumenten – ein Problem?

Mit der Zeit haben sich die Materialien und damit die Instrumente aber ständig weiterentwickelt – und das sollte genutzt werden! Dafür gibt es ethische, gesundheitliche und pragmatische Gründe. Veganer, Menschen mit Allergien (beispielsweise gegen Rosshaar), aber auch Händler oder Menschen, die mit Instrumenten verreisen und dafür Ausfuhrpapiere benötigen, haben an solchen Alternativen großes Interesse, denn gemäß dem Washingtoner Artgenschutzübereinkommen CITES dürfen Instrumente, die aus bestimmten tierischen oder pflanzlichen Materialien bestehen, in manchen Ländern nicht eingeführt werden. 

Man muss kein Veganer sein, um sich für Nachhaltigkeit und Artenschutz einzusetzen

Der junge Geigenbauer Jan Meyer hat eine vegane und faire Geige aus heimischen Hölzern gebaut. Nicht, weil er Veganer ist, sondern um auszutesten, ob es überhaupt möglich ist, alle problematischen Stoffe zu ersetzen. Außerdem findet er, dass man sich in der heutigen Zeit Gedanken über Nachhaltigkeit machen sollte. Sein Fazit: „Es konnten keine klanglichen Unterschiede festgestellt werden. Die tropischen Hölzer habe ich durch heimische Pflaume ersetzt, das Griffbrett durch thermogepresste Lärche, das ist quasi nicht von Ebenholz unterscheidbar. Eine Alternative sind Griffbretter aus Carbon. Das größte Problem war aber die Suche nach einer Grundierung und einem synthetischen Leim. Er funktioniert, die Geige lässt sich aber nicht so leicht oder so schön öffnen wie mit Hautleim.“ Der nämlich ist im Gegensatz zum synthetischen Leim durch Wärme wieder lösbar. Knochenleim hilft obendrein, schwankende Luftfeuchtigkeit und Temperaturen auszugleichen, indem er Feuchtigkeit abgibt oder aufnimmt und so die Geige vor dem Zerbrechen schützt, wenn sich die Holzteile dehnen oder zusammenziehen. Synthetischer Leim kann das noch nicht. Einen Bogen hat Jan Meyer zu seiner veganen Geige nicht gebaut, denn es existiert momentan kein zufriedenstellendes Substitut für Rosshaar.

Querflöte
Dichten ohne tierische Materialien nicht richtig ab: Klappen einer Querflöte  © A Different Perspective: pixabay

Metall statt Rosshaar

Dabei gab es vor etwa fünfzig Jahren eine Pferdehaar-Alternative, die sehr gut funktionierte, nämlich Metallfäden. „Die hatten jedoch den gravierenden ,Nachteil‘, dass sie sich nicht abnutzten. Sie waren nicht marktfähig, weil man dadurch seinen Bogen nie wieder neu beziehen lassen musste. Professionelle Musiker lassen ihren Bogen zwei- bis sechsmal pro Jahr neu beziehen“, erklärt Eduard Schwen, Geigenbaumeister eines Hamburger Traditionsbetriebs.

Die Optimierung von Instrumenten ist schon immer mit dem Material vonstatten gegangen, das verfügbar war – und das war nun einmal lange Zeit tierisch. Das ist aber seit langem anders, und diese Chance sollte genutzt werden, denn tierisches Material ist nicht per se besser. Die Instrumente wurden nur dafür optimiert. Aber unsere ästhetischen Gewohnheiten haben sich schon immer entwickelt, und so wird es auch weiterhin sein. Für Darmsaiten beispielsweise gibt es sehr gute synthetische Ersatzmaterialien, die aus technischer Sicht in vielen Aspekten besser sind. Aber es gibt bestimmte Klang- und Schwingungsbilder, für die eine synthetische Saite einfach keinen adäquaten Ersatz bietet. Dennoch: „Spielten vor 30 Jahren noch so gut wie alle Berufsmusiker auf Darmsaiten, sind es heute weniger als 25%“, berichtet Eduard Schwen. Die Zeiten ändern sich.

Aufmacherbild: © Jan Meyer/privat