Schnell noch die Kleidung zurechtgerückt, die Noten unter dem Arm, das Instrument in der Hand, ein letzter prüfender Blick zum Ensemblepartner. Am Bühnenrand die Eltern zusammen mit Musiklehrern, mindestens genauso aufgeregt wie ihre Schützlinge. Diese oder ähnliche Situationen wiederholen sich am Freitag, dem 2. Juni, vor fast jedem Bundeswettbewerbsvorspiel im Heinz Nixdorf MuseumsForum in Paderborn. Die Kategorie Neue Musik steht auf dem Programm von Jugend musiziert. Viele Teilnehmer wirken dabei doch wesentlich entspannter als ihre Begleiter – sie wissen schließlich um ihr Können. Immerhin haben sie es von 20.000 Teilnehmern in diesem Jahr im gesamten Wettbewerb unter die besten 2.700 geschafft. Dennoch, die Kategorie Neue Musik bleibt für jeden im Raum – ob für die Jurymitglieder oder die Teilnehmer – eine Herausforderung.

Insgesamt finden an diesem langen Pfingstwochenende an 27 Orten in der Innenstadt vor ebenso vielen Fachjurys die Vorspiele in den entsprechenden Altersgruppen und Kategorien statt. Neben den Teilnehmern in den Einzelwertungen Klavier, Harfe, Gesang, Drum-Set (Pop) und Gitarre (Pop), stehen auch Streicher-, Akkordeon- und Bläserensembles auf der Bühne. Programmatisch eingerahmt wird der Wettbewerb von Begrüßungs- und Preisträgerkonzerten, Workshops und Jam-Sessions, zudem sind in der Innenstadt unter dem Motto „Spiel-mich“ Klaviere aufgestellt worden, die zu spontanen Konzerten einladen.

Zungenbrecher und Gruselgeschichten

Celli bei der Anreise zum Wertungsspiel
Celli bei der Anreise zum Wertungsspiel © Markus Kaesler

Die Atmosphäre im Heinz Nixdorf MuseumsForum ist quirlig. Auf den Fluren vor dem Saal, in dem die Vorspiele stattfinden, sieht man junge Musikerinnen und Musiker, die noch schnell die Abläufe ihrer Vorträge durchgehen während auf der Bühne bereits ihre Konkurrenten ihr Bestes geben. Zuvor hat der Juryvorsitzende Matthias Pannes das Publikum in der so wörtlich „Smartphone-freien Zone von Jugend musiziert“ begrüßt und den Teilnehmern anspornende Worte mit auf den Weg gegeben. Im Programmbuch lesen sich Werknamen wie „Zungenbrecher“, „Hör zu“, „ARTE FACTS“ und „Gruselgeschichten“. Allesamt Kompositionen, die der Neuen Musik zugerechnet werden. Rund dreißig Teilnehmer im Alter zwischen dreizehn und vierzehn Jahren messen sich an diesem Tag auf dem Gebiet der experimentellen Avantgarde in ihrem Können.

Die Leistungen in dieser schwierigen Kategorie sind ungebrochen gut“, bestätigt Matthias Pannes, „Hinsichtlich der Leistungsfähigkeit und der musikalischen Ergebnisse, sind keine Abstriche zu den Vorjahren festzustellen.“ Bemerkenswert wenn man bedenkt, dass die jungen Teilnehmer erst auf dem Weg sind, ihre Instrumente zu erlernen und gleich in einer Kategorie antreten, die für viele mit ungewöhnlichen klanglichen Erfahrungen verbunden ist und von einigen Hörern mit dem Kommentar „Ist das noch Musik?!“ abgetan wird. „Der Zugang zu dieser experimentellen Form der Musik ist gemischt“, berichtet Pannes, „Wir beobachten großes Eigeninteresse, vieles ist jedoch den pädagogischen Konzepten der Musiklehrkräfte zu verdanken.“

Abseits der Klassiker

Auf der Bühne musizieren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer souverän und beeindruckend professionell, die Begeisterung für die Musik abseits der Klassiker ist ihnen anzumerken. Mit fünfunddreißig Uraufführungen erfreut sich die Kategorie in diesem Jahr besonderer Beliebtheit, was auch in den an die Vorspiele angegliederten Beratungsgesprächen zum Ausdruck kommt. „Die Kinder und Jugendlichen wollen eine professionelle Meinung zu Ihrer Leistung“, weiß Matthias Pannes. „Die Bewertungsmaßstäbe ändern sich trotz der ungewöhnlichen Kategorie natürlich nicht – dennoch sind Anregungen und Tipps wesentlich schwieriger zu vermitteln als bei konventionelleren Programmen.“ Das zu bewertende Spiel ist nach wie vor eine Momentaufnahme innerhalb des Wettbewerbs. „Ein Bild im musikalischen Fotoalbum der Jugendlichen.“

Wertungsspiel Harfe
Wertungsspiel Harfe © Markus Kaesler

 

Dennoch sind den Jurymitgliedern die Grenzen der Neuen Musik im pädagogischen Kontext bewusst. Zumal einige Stücke Spieltechniken erfordern, die gänzlich dem entgegenstehen, was im konventionellen Instrumentalunterricht gelehrt wird. Trotzdem ist die Wertung der Neuen Musik ein wichtiger Bestandteil des Wettbewerbs. Zumal es der einzige Wettbewerbsteil ist, bei dem die Zukunftsfrage der Nachwuchsmusiker so gut wie keine Rolle spielt. „Die Kinder und Jugendlichen kommen aus Interesse, aus Spaß am Klang, aus Experimentierfreudigkeit und aus Neugier“, erklärt Pannes.

Großer Körpereinsatz bei Jugend musiziert

Eben diesen Eindruck gewinnen auch die Zuschauer an dem Tag. Trotz teilweise skurril anmutenden Stücken, geräuschhaften Klängen und dadaistischen Lauten, die den Teilnehmer hin und wieder großen Körpereinsatz abverlangen, sind alle euphorisch bei der Sache. „Klar, ab und zu gibt es bei der Programmwahl einige Fehlgriffe vorbei an den Vorgaben der Kategorie – aber das sind wirkliche Ausnahmen“, meint Matthias Pannes.

Preisverleihung
Preisverleihung © Markus Kaesler

Der Tag wird bei den Kindern und Jugendlichen einen bleibenden Eindruck hinterlassen – welche Platzierungen sie erreicht haben, wird erst am Ende des Wettbewerbs bekannt gegeben. Eines ist jedoch ganz sicher, das Bild in ihrem musikalischen Fotoalbum wird ihnen in besonderer Erinnerung bleiben.