Das Wetter in Leipzig ist fast schon zu warm, um sich auf die Spuren Clara Schumanns zu begeben, doch die einzelnen Stationen, die vom Leben der Pianistin und Komponistin erzählen, machen jedwede Witterung vergessen. Die „Leipziger Notenspur“, ein fünf Kilometer langer Spazierweg, hebt jedoch nicht nur Claras Stationen hervor, sondern führt auch zu Wohn- und Wirkungsstätten von Johann Sebastian Bach, Richard Wagner und Felix Mendelssohn Bartholdy, der eine enge Beziehung zum Ehepaar Schumann pflegte. Prof. Dr. Werner Schneider ist der Initiator der Leipziger Notenspur und findet einen schönen Vergleich: „Die Notenspur verbindet alles miteinander. Es macht einen großen Unterschied, ob man eine Handvoll Perlen oder eine Perlenkette hat.“

Den ersten Hinweis auf Clara Schumann gibt auf unserem Rundgang das Goethe-Denkmal vor der Alten Börse. „Jeder, der berühmt werden und eine Karriere aufbauen wollte, musste zum alten Goethe“, erklärt Gregor Nowak, Geschäftsführer des Schumann-Verein Leipzig. Als Clara zwölf Jahre alt war, reiste sie mit ihrem Vater zu dem Dichter nach Weimar, um ihm vorzuspielen. Aus dieser Zeit stammt auch das berühmte Zitat von Goethe über Clara: „Das Mädchen hat mehr Kraft als sechs Knaben zusammen.“

Das Goethe-Denkmal in Leipzig. Junge, aufstrebende Musiker haben dem Dichter regelmäßig vorgespielt. So auch die 12-jährige Clara Schumann © scholacantorum/Pixabay
Das Goethe-Denkmal in Leipzig. Junge, aufstrebende Musiker haben dem Dichter regelmäßig vorgespielt. So auch die 12-jährige Clara Schumann © scholacantorum/Pixabay

Eine Stadt feiert „Clara19“

Im September wäre sie 200 Jahre alt geworden. Welche Stadt eignet sich da besser als Leipzig, um sie hochleben zu lassen! Institutionen wie das Gewandhaus, MDR Klassik und MDR Kultur, das Leipziger Ballett und das Bach-Museum gestalten in Kooperation mit Vereinen und soziokulturellen Einrichtungen das Festjahr „Clara19“. „Mittlerweile sind wir bei 200 Veranstaltungen angekommen. Ich finde, das passt ziemlich gut zum 200. Geburtstag“, lacht Franziska Franke-Kern, zuständig für Pressearbeit und Marketing von „Clara19“ und überwältigt von der Welle der Begeisterung. Höhepunkt wird die Festwoche rund um Claras Geburtstag im September.

Vom Goethe-Denkmal geht es zum Haus von Claras Vater Friedrich Wieck, wo dieser eine Musikalienhandlung hatte und seine Tochter zur Konzertpianistin ausbildete. Wieck zählte zu den modernsten Pädagogen seiner Zeit, erklärt Nowak. „Er hat sich vom englischen Musikpädagogen Johann Bernhard Logier den Gruppenunterricht abgeschaut und sich damit natürlich den Zorn seiner Kollegen zugezogen, denn es war ein Privileg, Einzelunterricht zu geben. Dadurch hat er ihnen die Arbeitsgrundlage entzogen.“ Doch Wieck sah die Vorteile in Logiers Methode, nämlich das Fördern der Kreativität und der Persönlichkeit der Schüler. So ging es Wieck in der musikalischen Ausbildung seiner Tochter vor allem um Qualität denn um Virtuosität.

Klänge zu Clara

Für die große Festwoche des Jubiläumsjahrs haben sich Prof. Dr. Werner Schneider und sein Team auch etwas Besonderes ausgedacht: Sie wollen eine Klang-App entwickeln, die sich von der Hohen Lilie bis zum Schumann-Haus erstreckt und an Orte führt, an denen sie gelebt und gewirkt hat. „Wenn man sich einem historischen Punkt nähert, wird die Musik lauter, und Clara Schumann erzählt etwas über die Station. Entfernt man sich zu weit aus dem Klangkreis, sagt sie: ,Hier kenne ich mich nicht aus’“, erklärt Schneider. Pünktlich zum Inselstraßenfest und der Eröffnung der neuen Dauerausstellung im Schumann-Haus, am 14. September soll die App veröffentlicht werden.

An den Markierungen erkennt man die Route der Notenspur. Hier vor der Nikolaikirche in Leipzig, in der Clara Schumann getauft wurde © Irem Cati
An den Markierungen erkennt man die Route der Notenspur. Hier vor der Nikolaikirche in Leipzig, in der Clara Schumann getauft wurde © Irem Cati

Eine ähnliche Route, wie sie in der App vorgeschlagen wird, nehmen auch wir. Auf dem Weg zum ersten Gewandhaus, geht es vorbei an der Stelle, wo Claras Geburtshaus stand, zum ehemaligen Konservatorium, das Felix Mendelssohn Bartholdy gegründet hat. Auch Clara Schumann hat hier gelehrt, gleichwohl nur inoffiziell, da sie als Frau nicht unterrichten durfte. Erst später wurde sie „Erste Klavierlehrerin“ an Dr. Hoch’s Konservatorium in Frankfurt am Main. Als sich daraufhin auch andere Frauen bewerben wollten, sagte der damalige Leiter des Konservatoriums, Clara Schumann gelte als Mann, ansonsten gebe es noch keine Lehr-Erlaubnis für Frauen.

Wie Clara Schumanns Spiel geklungen hat, kann man heute nur erahnen. Von ihr selbst gibt es keine Aufnahmen, sehr wohl aber von ihren Schülern: „Wenn man diese Einspielungen übereinanderlegt, kommt man zu einer gewissen Vorstellung, wie sie unterrichtet und gespielt hat“, sagt Franziska Franke-Kern. „Sie wusste genau, was das Wesentliche des Stückes ist und was der Komponist wollte. Ihre eigene Interpretation hat sie immer in den Dienst des Werkes gestellt.“ Erleben konnte man sie in Leipzig damals im alten Gewandhaus. Heute ist das Gebäude Teil der Universität, eine Plakette erinnert an die Konzerterlebnisse von damals: an Brahms, Berlioz und Wagner, die hier ihre Werke dirigiert haben sowie an die Uraufführungen von Beethovens 5. Klavierkonzert und Schuberts großer C-Dur-Sinfonie. Und an Felix Mendelssohn Bartholdy, unter dessen Leitung Claras Klavierkonzert uraufgeführt wurde. Und an Clara selbst, die hier mit neun Jahren zum ersten Mal öffentlich vor Publikum spielte.

Schumann-Haus: Ein Ort für Konzerte und für Hör-Krimis

Das Schumann-Haus in der Inselstraße 18. Hier bewohnten Robert und Clara die Beletage © Matthias Knoch
Das Schumann-Haus in der Inselstraße 18. Hier bewohnten Robert und Clara die Beletage © Matthias Knoch

So endet der Rundgang – natürlich – in der Inselstraße 18, wo das Schumann-Haus steht. Hier verbrachten Robert und Clara ihre ersten vier Ehejahre. Der Weg dahin war nicht leicht, denn Friedrich Wieck war nicht begeistert von der Beziehung seiner Tochter zu dem Komponisten. „Wieck fällt oft in die Rolle des Bösewichts, der er nicht war“, sagt Schneider. „Als sich Clara und Robert verliebten, sah er sein Lebensprojekt, der Tochter zu einer Karriere als erfolgreiche Pianistin zu verhelfen, in Gefahr. Clara war das immer bewusst, deswegen hat sie sehr darunter gelitten.“

Das Besondere am Schumann-Haus heute ist nicht nur, dass es in Leipzig eines der wenigen Gebäude aus den 1840er-Jahren ist, sondern dass sich das Museum die Räumlichkeiten mit der freien Grundschule Clara Schumann teilt, die ein musikalisch-künstlerisches Profil hat. Hier stehen die Kreativität und die persönliche Entwicklung des Kindes im Vordergrund – ähnlich wie bei Friedrich Wieck.

Für die Feierlichkeiten in der Festwoche im September wird hier im Museum noch einiges umgebaut. Der Eingangsbereich soll die Lebenswege von Clara und Robert bis zu ihrem Wegzug aus Leipzig 1840 zeigen, die Besucher sollen zukünftig mithilfe eines Films von den Schülern begrüßt werden. Auch andere Bereiche werden überarbeitet: „Im Arbeitszimmer von Robert werden wir eine multimediale Installation aus seiner und Claras Perspektive entstehen lassen, die die Themen Geld, Liebe, Kunst und Kinder thematisieren wird“, erklärt Nowak. Es wird auch einen Raum geben, in dem man alle Werke von Clara und Robert hören und lesen kann. Zusätzlich geben Podcasts, Zeitungsartikel, Filme und Reportagen sowie Bücher und Biografien Informationen zu den beiden.

Der Klangraum im Schumann-Haus wird von den Schulkindern liebevoll „Weihnachtszimmer“ genannt © Caro Krekow
Der Klangraum im Schumann-Haus wird von den Schulkindern liebevoll „Weihnachtszimmer“ genannt © Caro Krekow

Unverändert bleibt der Konzertsaal, der damals, als die Schumanns hier gewohnt haben, allen Hausbewohnern zur freien Verfügung stand. Noch heute finden hier regelmäßig Konzerte mit Künstlern wie Christoph Prégardien, Ragna Schirmer, Peter Bruns oder dem Vogler Quartett statt, die vor allem die Salonatmosphäre schätzen. Ebenfalls erhalten bleibt der von Erwin Stache kreierte Klangraum, der ein schönes Beispiel für die gemeinsame Zusammenarbeit mit der Schule ist. Für die Schüler dient er als Chor-, Musik- und Theaterraum, das Museum bietet hier unterschiedliche Workshops an. Eine Besonderheit sind die von der Decke hängenden Erfindungen aus dem 19. Jahrhundert. Stellt man sich unter die Kaffeemühle, das Morsegerät oder die Kohlebogenlampe, geben diese die für sie typischen Geräusche von sich, mit denen die Kinder Klang- oder Hör-Krimis gestalten können. Von den Kindern wird der Raum deswegen liebevoll als „Weihnachtszimmer“ bezeichnet, erzählt Franke-Kern.

An Clara Schumanns Geburtstag, dem 13. September, wird das neue alte Schumann-Haus mit einem Festakt für geladene Gäste eröffnet. „Ich kann jetzt schon sagen: Es wird spektakulär“, freut sich Nowak. Abgesehen davon wünscht er sich, dass die Besucher in Zukunft etwas mitnehmen, worüber sie nachdenken und womit sie sich weiter beschäftigen können. Auch über das Künstlerehepaar selbst, das hier gelebt, geliebt und komponiert hat. „Ohne Clara wäre Robert nicht der Komponist, den wir heute kennen. Sie hat so viel für ihn, ihre Schüler und das Konzertwesen getan“, schließt Gregor Nowak. „Sie hat eine unfassbare Karriere hingelegt, und trotzdem schaffen wir es jetzt erst, dieser Frau in unserer Stadt ein Denkmal zu setzen.“

 

Weitere Informationen:

www.clara19.leipzig.de

www.schumann-haus.de

www.notenspur-leipzig.de

 

Reiseangebote in die Musikstadt Leipzig finden Sie unter:

www.leipzig.travel/reiseangebote

 

Aufmacherbild: Christian Kern