Weltweiter Exportschlager: Beethovens Neunte
Sie ist fester Bestandteil zahlreicher Silvesterkonzerte, bei den olympischen Spielen zwischen 1956 und 1964 wurde sie zur Hymne der gesamtdeutschen Mannschaft und einen Monat nach dem Fall der Berliner Mauer wurde sie im Ostberliner Konzerthaus am Gendarmenmarkt unter Leonard Bernstein mit leicht verändertem Text aufgeführt: „Freiheit, schöner Götterfunken“. Selbst die Aufnahmekapazität einer CD ist der Sinfonie mit dem berühmten Schlusssatz zu verdanken, weil der damalige Sony-Vizepräsident und Opernsänger Norio Ōga das Werk an einem Stück ganz ohne CD-Wechsel hören wollte. Beethovens Neunte ist ein weltweiter Exportschlager.
Für den Schlusssatz verwendete der Komponist Teile aus Schillers Ode „An die Freude“. Der Dichter bezeichnete diese Zeilen übrigens keineswegs als sein Meisterwerk. Das lag vielleicht daran, weil es ursprünglich ein ganz banales Trinklied war. Schiller schrieb sie aus einem Gefallen zu seinem Freund und Förderer Christian Gottfried Körner, der ihn für die Tafel der Dresdner Freimaurerloge darum gebeten hatte. Doch Beethoven war, wie viele andere Zeitgenossen auch, tief beeindruckt von dem Gedicht und plante schon in seiner Bonner Zeit dessen Vertonung. Am 7. Mai 1824 wurde die Neunte zum ersten Mal in Wien aufgeführt. Es sollte das letzte Konzert des Komponisten werden, der mehr als sechs Jahre daran arbeitete. Den frenetischen Applaus konnte er lediglich sehen – Beethoven war zu diesem Zeitpunkt schon völlig taub.
Ein Leitmotiv ganz im Sinne des europäischen Gedankens
Schon in der ersten Strophe heißt es „Alle Menschen werden Brüder“. Dass sich der Komponist ausgerechnet in einer Zeit der politischen Restauration für diesen Text entschloss, bewertet der Musikwissenschaftler Aribert Reimann folgendermaßen: „Nach all dem politischen Wirrwarr und den Schrecknissen der Zeit, die auch Beethoven selbst erlebt hat, ist dieses Werk am Ende ein Appell, eine Sehnsucht nach Verbrüderung, nach Freude und Jubel, nach der Utopie eines Weltfriedens, nach einer Welt ohne Kriege und Zerstörung.“ Ein Leitmotiv ganz im Sinne des europäischen Gedankens.
Der Europarat nimmt 1972 den Vorschlag an, den „Song of Joy“ als Hymne zum offiziellen Symbol Europas zu erheben. Also dreizehn Jahre bevor Herbert von Karajans Instrumentalversion 1985 zur offiziellen Hymne der EU, damals noch unter dem Namen „Europäischen Gemeinschaft“, erklärt wurde. Die Nationalhymnen der Mitgliedstaaten sollen dadurch aber nicht ersetzen werden. Vielmehr sollen die gemeinsamen Werte, soll die Einheit in der Vielfalt versinnbildlicht werden. Um keine der 24 Amtssprachen der EU zu bevorzugen, wurde deshalb auch nur die Instrumentalfassung zur Europahymne erklärt. Denn wo die Sprache nach E. T. A. Hoffmann bekanntlich aufhört, fängt die Musik an.
Aufmacherbild: Europaflagge © Pixabay