Zugewinn an Service und Informationen
Es gibt Streaming-Apps wie Idagio, die dem spontanen wie fortgeschrittenen Klassikhörer ununterbrochenen Musikgenuss garantieren, Kompositions-Apps, Musik-Ratespiele, Best-of-Klassik-Einschlaf-Sounds, und längst nutzen auch Konzert- und Opernhäuser die Möglichkeiten der digitalen Musikvermittlung. Die Frage nach der Zielgruppe stellt sich nicht. Denn sowohl das junge, technikaffine Publikum als auch die betagte Klassikklientel, die die Vorzüge eines Smartphones nicht minder zu schätzen weiß, ist doch in gleichem Maße an aktuellen Informationen zum Konzertprogramm, an Anekdoten und Fakten zu Komponist und Werk oder an den Menschen auf und hinter der Bühne interessiert.
Die Recherche war langwierig, das Ergebnis ernüchternd und die Ausbeute lediglich eine Handvoll Apps, von denen manche noch nicht einmal funktionieren. Umso erfreulicher ist die App des NDR Elbphilharmonie Orchesters. Mit ihr kann man den Konzertkalender durchstöbern und – sofern verfügbar – Tickets für die Elbphilharmonie kaufen. Programmänderungen werden direkt ans Smartphone geschickt, über den Stream können Konzerte live oder als Aufzeichnung miterlebt werden, es gibt jede Menge Hintergrundinformationen, Interviews mit Musikern und Gewinnspiele. Alles in allem ein echter Zugewinn an Service und aktuellen Informationen.
Eintauchen in virtuelle Welten
Als echter Veteran bietet die Digital Concert Hall der Berliner Philharmoniker einen ähnlich umfangreichen Service, den man anfangs sogar sieben Tage kostenlos testen kann. Außerhalb Deutschlands haben das schon mehrere Häuser und Orchester für sich entdeckt, wie etwa die Philharmonie de Paris, das Los Angeles Philharmonic, das Philadelphia Orchestra, die Moscow Philharmonic Society, das Konserthuset Stockholm oder das Brüsseler Palais des Beaux-Arts (BOZAR). Auch Opernhäuser sind mittlerweile auf dem Geschmack gekommen, etwa die Wiener Staatsoper, die New Yorker Metropolitan Opera oder die Opéra National de Paris. Hier stehen vor allem die Aufführungen im Mittelpunkt, ob live oder als Aufzeichnung.
Wie digitale Musikvermittlung wirklich aussehen kann, zeigt das Konzerthaus Berlin. Mit seiner App „Konzerthaus Plus“ hat es 2016 ein beeindruckendes Projekt gestartet, das vor allem auf virtuelle Welten und erweiterte Realität (Augmented Reality) setzt. Das Programm soll ein Streichquartett auf den Esstisch beamen, einen virtuellen Rundgang durch das Konzerthaus ermöglichen oder den Benutzer einmal direkt neben den Hörnern im Orchester Platz nehmen lassen. Ist die App erst einmal installiert, sind allerdings noch ein paar Hürden zu überwinden. Zunächst muss ein umfangreiches Datenpaket heruntergeladen werden. Das erfordert mitunter viel Geduld. Dann müssen einige Seiten ausgedruckt und zurechtgeschnitten werden. Erst durch die Ausdrucke, die von der Handykamera erkannt werden, entstehen die Hologramme. Und tatsächlich erscheinen die vier versprochenen Musiker und spielen Schubert. Die App bietet außerdem kostenloses 3D-, Audio- und Videomaterial zu den Saisonhighlights an, leider nicht für die aktuelle Spielzeit. Dafür arbeitet das virtuelle Konzerthaus derzeit an einer „Interaktiven Komposition“. Mit dem Auftragswerk von Mark Barden (Komposition) und Julian Bonequi (visuelle Gestaltung) soll im kommenden Jahr das 200-jährige reale Bestehen des Berliner Konzerthauses gebührend gefeiert werden.
Das Virtuelle Quartett des Konzerthaus Berlin: