Wenn zwischen Popcornmaschine und Eistruhe lässige Shorts auf schickes Abendkleid treffen, dann ist wieder große Oper im Kino angesagt. Viele Besucher, völlig egal ob elegant oder leger gekleidet, nutzen mittlerweile das Angebot des Londoner Royal Opera House, das in der kommenden Saison dreizehn Produktionen live in Kinos auf der ganzen Welt ausstrahlt. Doch warum sollte man sich ausgerechnet vor eine Leinwand setzen, um eine Oper zu sehen? Und wie unterscheidet sich eine Kino-Opern-Aufführung von übrigen Aufführungen?

Mit diesen Fragen kennt sich Thomas Schülke aus. Sein Unternehmen Schülke Cinema Consult GmbH hat sich darauf spezialisiert, hochemotionale Events ins Kino zu bringen, also alle Events, die keine normalen Kinofilme sind. Dazu gehören Opern, Ballette, Konzerte oder auch Dokumentationen, die auf der großen Kinoleinwand eine ganz besondere Wirkung entfalten. Für Schülke ist das Kino ein Ort für Gemeinschaftserlebnisse, ein Ort für große Gefühle. Der abgedunkelte Raum, wo der Fokus voll auf der großen Leinwand liegt, schaffe ideale Voraussetzungen, um Menschen zu bewegen und zu begeistern.

Mythos Kino

Don Giovanni © ROH/Bill Cooper
„Don Giovanni“ im Royal Opera House © ROH/Bill Cooper

Um den Mythos Kino besser verstehen zu können, hilft ein kurzer Blick auf die Anfänge des Filmtheaters. Als Geburtsjahr des Kinos gilt das Jahr 1895. Nachdem die ersten tonlosen Schwarzweißfilme zunächst an spärlichen Bretterbuden auf Jahrmärkten vorgeführt wurden, entstanden schon bald die ersten Gebäude eigens für die bewegten Bilder. Diese knüpften in ihrer Architektur und Eleganz an den Prunk und die Ausstattung von Theatern und Opernhäusern jener Zeit an, inklusive Samtvorhängen und Kronleuchtern.

Ein Kinobesuch war also etwas ganz Besonderes. Dafür haben sich die Zuschauer extra in Schale geworfen. Sie wollten verzaubert oder informiert werden. Ein großes Orchester oder ein Pianist begleitete die Stummfilme. Fast an jeder Ecke gab es ein Kino. Bis in die 1970er, als der Fernseher in den meisten Haushalten Einzug gehalten hat. Erst kurz vor der Jahrtausendwende hat das Kino dank brillanter Ton- und Bildqualität sowie Spezialeffekten etwas von seinem alten Glanz wiedergefunden. Bis heute scheint die Liebe der Zuschauer zum Kino als Ort ungebrochen – trotz Streaming und Heimkino.

Große Stars auf großer Leinwand

Jonas Kaufmann © Gregor Hohenberg/Sony Classical
Jonas Kaufmann © Gregor Hohenberg/Sony Classical

Doch warum sollte man ausgerechnet ins Kino gehen, um eine Oper zu sehen? „Das Angebot im Kino ermöglicht es vielen Menschen, mit relativ überschaubarem Aufwand bei großartigen Aufführungen live dabei zu sein“, bemerkt Schülke begeistert. Und die Spannung eines Live-Events – egal ob direkt vor Ort oder im Kino – ist doch einfach durch nichts zu ersetzen. Hier kann man Stars wie Jonas Kaufmann, Nina Stemme, Erwin Schrott oder Bryn Terfel erleben. „Und das auf der Kinoleinwand so groß und nah, wie es im Opernhaus selbst nie möglich wäre“, betont der leidenschaftliche Kinofan. „Die Kinoübertragungen ergänzen das lokale Opern-Programm und machen vielleicht sogar zusätzlich neugierig auf das heimische Angebot.“

Besonders Opern und Ballette, wie sie aus dem Royal Opera House übertragen werden, eignen sich gut, da hier der Inhalt selbst oft schon hochdramatisch sei und die Musik zusätzlich dazu beitrage, dass der Funke sofort auf den Zuschauer überspringt. „Beim Royal Opera House arbeiten wir für den englischen Verleih Trafalgar Releasing, der die weltweiten Kinorechte außerhalb Großbritanniens hält“, erzählt Schülke. „Wir organisieren den Vertrieb an die Kinos in Deutschland und Österreich und steuern die Marketingaktivitäten für die Übertragungen.“

Das Royal Opera House überträgt mit der Saison 2019/2020 bereits zum elften Mal aktuelle Inszenierungen weltweit live ins Kino. Über 1.600 Kinos in 53 Ländern nehmen an den Übertragungen teil. Im Laufe der Jahre sind immer mehr Kinos und Länder hinzugekommen. Für Schülke eine wunderbare Möglichkeit, auch Menschen an diesen kulturellen Erlebnissen teilhaben zu lassen, die nicht einfach mal eben in London vorbeischauen können.

Im Kino bekommt das Publikum Blicke hinter die Kulissen und exklusive Interviews

Thomas Schülke © privat
Thomas Schülke © privat

Und wie unterscheidet sich eine Kino-Opern-Aufführung von übrigen Aufführungen? „Der Zuschauer, der in London selbst im Opernhaus sitzt, bemerkt die Kinoübertragung in der Regel gar nicht, da die zahlreichen Kameras sehr diskret im Raum verteilt sind. Es laufen also keine Kameraleute über die Bühne“, erklärt Schülke. „Daher kann die Aufführung genauso stattfinden, wie an anderen Abenden auch.“ Für die Kinoübertragungen werden nur die absoluten Highlights aus der aktuellen Saison ausgewählt. Von den über 40 verschiedenen Inszenierungen einer Saison wird nur eine sehr hochkarätige Auswahl ins Kino übertragen. „Zudem kommt man im Kino sogar noch in den Genuss spezieller Blicke hinter die Kulissen und exklusiver Interviews.“ Und je nach Kino wird der Opernabend dank Sektempfang und Pausensnacks zu einem richtigen Event.

Thomas Schülke hat sein persönliches Highlight in dieser Saison bereits ausfindig gemacht: „Ich freue mich besonders auf Jonas Kaufmann in „Fidelio“ am 17. März. Erstmalig singt der Tenor eine Opernrolle am Royal Opera House in deutscher Sprache, dirigiert von Sir Antonio Pappano – das verspricht ein wirklich großartiger Opernabend zu werden!“

Sehen Sie hier den Trailer des Royal Opera House zur Saison 2019/2020:

Aufmacherbild: Gemeinfrei/Pixabay