Für Musiker sind solche Fotoshootings meist lästiger Pflichttermin, geht es doch nicht um die Kunst an sich, sondern ums schnöde Marketing. Zum Glück gibt es aber immer wieder Fotografen, die zwar auf den Kommerz angewiesen sind, die ihn aber hintanstellen, um Bilder zu machen, die weit über die Marketingzwecke hinausgehen. Weil sie einen künstlerischen Anspruch haben; weil sie die Seele des Musikers einfangen; weil sie, meist höchst ästhetisch, besondere Augenblicke einfangen und bewahren, die weit mehr zeigen, als einfach nur einen Künstler mit dessen Instrument. Es sind leidenschaftliche Bilder mit Persönlichkeit.
Lund und Basta – zwei Gegensätze
Fotografen, denen es bei Musiker-Aufnahmen vordergründig um Kunst und Ästhetik geht, sind rar gesät. Aber man kann sie finden. In Kopenhagen und Düsseldorf zum Beispiel, wo Nikolaj Lund und Alexander Basta wohnen und arbeiten. Letzterer ist eine Besonderheit unter den ohnehin schon Besonderen, denn Basta wollte schon als fünfjähriger Junge Fotograf werden, um Musiker zu porträtieren. Damals fragte er seine Mutter, warum denn all die „alten Männer“, die zum Teil schon über 200 Jahre tot waren, in dem heimischen Lexikon abgebildet waren. „Als sie mir deren Bedeutung für die Menschheit erklärte und mich anschließend darüber unterrichtete, dass Mozart in einem anonymen Massengrab beigesetzt wurde, brach für mich eine Welt zusammen – das war doch der Komponist, ‚dessen Platte’ mit der ,Kleinen Nachtmusik’ wir beinahe allabendlich auflegten und hörten! Da beschloss ich in meiner kindlichen, gesunden Naivität: Wenn ich mal groß und stark bin, dann will ich meinen dannzumaligen Bachs, Mozarts, Beethovens das bildnerische Angedenken verschaffen, das mir meinen Zeitgenossen würdig, wert und angemessen erscheint“, verrät der Fotograf. Gesagt, getan.
Nikolaj Lunds Beweggründe, Musiker kunstvoll in Szene zu setzen, sind indes andere. Der Däne hat nämlich selbst professionell das Cellospiel studiert, bevor er zur Fotografie gekommen ist. Das eine dann mit dem anderen zu verbinden schien ihm eine logische Konsequenz.
Zeigt her eure Instrumente – oder auch nicht
So unterschiedlich wie die Motivationen der beiden Fotografen, so entgegengesetzt sind auch ihre Herangehensweisen und Schwerpunkte, wenn sie Musiker vor ihre Linsen holen. Basta zum Beispiel greift für solche Aufnahmen ausschließlich zu seiner Großbildkamera, hinter deren schwarzem Tuch er regelrecht verschwindet. Auch fotografiert er nur in Schwarz-Weiß und eben fast ausschließlich Porträts. Im Gegensatz zu Nikolaj Lund möchte er auch keine Musikinstrumente auf seinen Fotomotiven haben: „Ich will lieber ganz pur aus dem Gesicht heraus den Charakter eines Menschen herauslesbar werden lassen. Da kann ein Instrument sogar eher noch ablenken, ja störend wirken.“
Lund indes möchte auf das Instrument des Künstlers nicht verzichten: „Für mich ist die Rolle des Instruments im Foto sehr wichtig, denn schließlich erfährt der Betrachter so, was der gezeigte Künstler macht. Außerdem hilft es mir dabei, das Foto grafisch interessant zu gestalten. Wobei es ebenso gut auch nur eine Nebenrolle spielen kann, wenn ich mich ausschließlich auf die Person vor mir konzentrieren möchte.“
Wenn der Fotograf hinter dem Motiv verschwindet
Auch die Herangehensweisen an die Fotoshootings sind bei den beiden verschieden. Lund etwa versucht, so viel wie möglich über einen Musiker in Erfahrung zu bringen, wenn er zuvor noch nicht mit ihm gearbeitet hat. Ein persönliches Kennenlernen vor dem Tag, an dem die Aufnahmen entstehen, ist ihm sehr wichtig. Zum einen, um sich kennenzulernen, zum anderen, um gemeinsame Ideen zu entwickeln, damit sich der Künstler am nächsten Tag auch wohl fühlt. Wobei Lund meistens schon eigene Ideen und Vorschläge im Gepäck hat, denn der Fotograf bereitet sich gerne ganz genau vor.
Alexander Basta geht da entspannter ans Werk: „Die jeweilige Person versuche ich vorher meist in Proben oder im Konzert zu studieren, aber ganz oft empfinde ich es als sehr reizvoll, einfach aus dem Moment heraus völlig spontan mit einem ganz unbekannten Menschen umzugehen und ein Shooting ganz intuitiv, also absolut aus dem Bauch heraus zu gestalten. Im Idealfall ergibt sich in Minuten- ja, in Sekundenschnelle so etwas, wie eine gemeinsame Meditation. Dabei ist es für mich auch ganz wichtig, selbst ‚durchlässig’ zu sein.“
Wobei auch Lund da ganz ähnliche eigene Maßstäbe hat: „Wenn ich einen Musiker fotografiere, dann geht es darum, was für ihn gut ist – also wie er sich am besten präsentieren kann – und nicht darum, was ich als Künstler möchte.“
Kommerz versus Kunst
Während sich Lund gerne längerfristig vorbereitet und seine Shootings ganz genau plant, weil seine Fotos allem künstlerischen Anspruch zum Trotz meist kommerziell sind, treibt Basta die spontane Kraft seiner Porträts gerne auf die Spitze, indem er die Aufnahmen am liebsten kurz vor oder nach oder sogar in der Pause eines Konzerts macht, weil die Musiker dann noch derart „drin“ sind, dass sie nicht posieren und physisch durchlässig werden. Für ihn ist das der ideale Zeitpunkt, um ein dichtes, seelengehaltvolles Porträt zu erhalten: „Meiner Meinung nach sind das Bilder, die die Zeit nicht nur fest- und anhalten, sondern überdauern.“
Obwohl Nikolaj Lund als vorwiegend kommerzieller Fotograf diese Art der künstlerischen Freiheit eines Alexander Basta natürlich nicht hat, sehnt er sich auch nicht unbedingt danach. Schließlich ist ein hohes künstlerisches Niveau auch so seine Zielsetzung. Von der schnöden Pressefotografie hat er sich nie vereinnahmen lassen. Ihm war es von Anfang an wichtig, Fotos zu machen, die einzigartig sind und einen gewissen Einfluss haben. Deswegen treffen seine Bilder ebenso ins Gemüt des Betrachters wie die von Basta.Die beiden sehr unterschiedlichen Fotografen eint am Ende dann doch eines: ihre Fotos sind künstlerisch, ästhetisch und emotional so herausragend, dass sie im Gedächtnis bleiben.