Wenn einer eine Reise tut, so kann er was erzählen. An die 35 Mal pro Saison packt Tobias Niederschlag, der Konzertdramaturg der Sächsischen Staatskapelle Dresden, seine Koffer. Auf die Frage, welche fünf Stichworte ihm beim Begriff „Tournee“ als erstes in den Sinn kommen, sind es „Aufregung“ und „Freude“, aber auch der „straff getaktete Zeitplan“, „lange Wartezeiten“ und ein „ausgetüfteltes wie geeignetes Tourneeprogramm“.

Von Dresden bis Tokyo – Tournee bedeutet Abenteuer!

Ankunft in Tokyo
Bei der Ankunft in Tokyo werden Jan Nast (links) und die Mitglieder der Sächsischen Staatskapelle schon erwartet © Matthias Creutziger

Neben zahlreichen internationalen Konzerten, darunter Wien, Paris und London, ist die Sächsische Staatskapelle Dresden seit den siebziger Jahren regelmäßig in Japan zu Gast. Ein Land, das sich seit den 80er Jahren zu einem wichtigen Markt klassischer Musik etabliert hat und deshalb insbesondere für ein Tournee-Orchester von Weltrang relevant ist.

Konzertsälen wie der Suntory Hall in Tokyo eilt ihr Ruf voraus. Sie setzen neue Maßstäbe in Sachen Akustik und sind für Orchester wie Solisten ein unvergleichliches Konzerterlebnis. Beim japanischen Publikum hat man es außerdem mit sehr versierten Klassik-Hörern zu tun, wie Niederschlag weiß: „Wir können hier wirklich von Fachleuten sprechen. Klassische Musik ist in Japan sehr präsent, sodass seitens der Zuhörer eine wirklich intensive und tiefgründige Auseinandersetzung mit den musikalischen Werken stattfindet. Das ist toll und aufregend und ermöglicht uns, auf den Tourneen ein sehr anspruchsvolles Programm zu spielen.“

Konzert der Staatskapelle Dresden in Tokyo
Konzert der Staatskapelle Dresden unter Christian Thielemann in Tokyo © Matthias Creutziger

Mit Japan verbindet die Sächsische Staatskapelle Dresden seit vielen Jahren ein inniges, freundschaftliches Verhältnis. „Dass wir eine Woche in der Suntory Hall gastieren durften, ist schon etwas Besonderes. Und erst der enorme Enthusiasmus vor Ort! Es ist beeindruckend, wenn jemand aus dem Publikum auf einen zukommt und erzählt: ‚Ich war 1971 schon dabei, das klingt heute doch ein bisschen anders als damals.’ Das ist das höchste Glück, wenn man weiß, dass man dort einen Freundeskreis hat“, berichtet Orchesterdirektor Jan Nast.

Tournee-Programm – das darf nicht fehlen

Halbszenische Aufführung von Wagners "Rheingold" in der Suntory Hall
Halbszenische Aufführung von Wagners „Rheingold“ in der Suntory Hall © Matthias Creutziger

Neben dem Kernrepertoire Wagner, Weber und Strauss, aber auch Beethoven, Bruckner und Brahms, komme mit Chefdirigent Christian Thielemann eine zweite starke Marke hinzu, die Einfluss auf die Programmgestaltung habe, so Nast. Und schließlich sei es auch die musikalische Qualität der Werke – das Prädikat ‚so spielt es nur die Sächsische Staatskapelle Dresden’, die das Repertoire auch auf einer Tournee bestimme.

„Man kann sich das ein bisschen wie bei einen bekannten Automarke vorstellen. Man erwartet von uns ein gewisses Repertoire, das man mit unserem Namen verbindet. Die Tradition spielt bei uns eine große Rolle. Die Programmpolitik ist aber letztlich immer auch eine Angelegenheit von Angebot und Nachfrage – die Veranstalter auf einer Tournee kennen ihr Publikum: das ist wie ein Auto mit einem gelben Lack, da können sie nicht einfach mit einem rosa Lack kommen“, erklärt Nast schmunzelnd.

Facebook, Twitter & Co. – Tournee im World Wide Web

Für die Vermarktung des Tournee-Orchesters sind neben den klassischen Print-Formaten auch Social-Media-Kanäle im Ausland relevant. Mit medialen Ankündigen via Facebook und Twitter bewegt sich die Staatskapelle ganz am Puls der Zeit. Auch ein Tournee-Tagebuch in Form eines Blogs gibt es, das den Daheimgebliebenen vom Klang der Ferne berichtet. „Da die Zielgruppe aber in der Regel etwas älter ist, zählen die Print-Medien nach wie vor zum Alltags-Business“, so Nast. Dass die Rolle der neuen Medien aber immer größer und damit wichtiger werde, sei nicht von der Hand zu weisen.

Plakate im Foyer
Trotz Neuer Medien: Auch Plakate schaffen Öffentlichkeit © Matthias Creutziger

Planung ist das halbe Leben

Doch nicht nur die Konzerte selbst, auch die Planung und Organisation der Reisen sind eine echte Herausforderung, wie Mike Wegner, der Tour-Logistiker der Staatskapelle Dresden, zu berichten weiß. Hotelreservierungen und Flug-Buchungen für rund 120 Musiker müssen ganz genau getaktet sein. Bis zu zwei Jahre im Voraus können Hotelzimmer gebucht werden, Flugtickets kann man mit noch größerem Vorlauf organisieren. Und dann sind da noch die Transportmittel für die Instrumente. „In einen Sattel-LKW passen 65 bis 70 Kubikmeter, für kleinere Reisen, etwa nach Hamburg, reichen 60 Kubikmeter aus“, erklärt Wegner.

Die größte Herausforderung seien aber Unregelmäßigkeiten jedweder Art. November 2016 zum Beispiel. Lufthansa-Streik. Anstatt nach Tokyo zu reisen strandet ein Teil des Orchesters erst einmal in Frankfurt. Anekdoten? Die hat Wegner zuhauf! Fehlende Musikinstrumente zum Beispiel, die beim Transport von Long Beach nach Los Angeles erst 24 Stunden später eintreffen. Anspielprobe? Fehlanzeige! Wegners Anti-Stress-Tipp: „Augen zu und durch!“

Gewusst wie: Ruhe bewahren im Tournee-Alltag

Buddha im Tempelbereich von Kamakura
Auch der Besuch der Tempel von Kamakura gehörte zum Kulturprogramm außerhalb der Konzerte © Matthias Creutziger

Sind Flug und Busreise schließlich gemeistert, die Zimmer bezogen, die Instrumente bei ihren Besitzern und alle Mann am Notenpult, heißt es Konzentration und Nerven bewahren. Ein beliebter Ausgleich zum anspruchsvollen Tournee-Alltag sieht dann für die Musiker gar nicht einmal so anders aus wie in Dresden: Sauna, Jogging und Yoga sind die Klassiker. „In Hamburg joggen wir um die Alster und in Dresden direkt an der Elbe“, verrät Niederschlag.

Orchesterdirektor Nast schwört hingegen auf sein kleines Mittagsschläfchen. Trotz der engen Taktung zwischen Ankunft, Hotelbezug und Aufbruch zu Generalprobe und Konzert habe man auf einer Tournee zum Glück auch das Privileg, für ein paar Minuten die Augen zu schließen – das entspanne ungemein.

Und der Kaffee? Der schmeckt in Bella Italia – dem Land der Baristas – immer noch am besten!

 

Aufmacherbild: gemeinfrei