Einer, der bereits Klassikstars wie Anna Netrebko, Anne-Sophie Mutter, Kristīne Opolais und Sonya Yoncheva vor der Linse hatte, ist Fotograf Kristian Schuller. Bekannt geworden ist der Sohn des Theaterdramaturgen und Regisseurs Frieder Schuller durch groß inszenierte und markante Modefotografie. Dem breiteren Mainstreampublikum ist er spätestens seit seiner Juroren-Tätigkeit in der zweiten Staffel von „Germany’s Next Topmodel“ ein Begriff. Schuller weiß, dass der Kern eines ausdrucksstarken Künstlerfotos in der vorherigen Beschäftigung mit dem Künstler und seinem Werk liegt. „Es ist grundsätzlich so, dass man sich natürlich völlig bewusst sein muss, wen man da fotografiert. Also um welchen Künstler es sich handelt und welche Qualität der- oder diejenige präsentiert.“
Ähnlich in der Arbeitsweise: Fotograf und Dirigent
Entscheidend dabei ist ausnahmsweise nicht die Kunst selbst, sei es die Musik oder eine andere Form des künstlerischen Ausdrucks. Aus der Perspektive des Fotografen steht die Präsentation des Menschen hinter der Kunst im Fokus. Das bestätigt auch Schuller, der jedoch zugibt, dass man den Menschen natürlich nie gänzlich vom dem trennen kann, was er auf künstlerischem Gebiet leistet. Genauer betrachtet lassen sich dabei durchaus Ähnlichkeiten in der Arbeitsweise zwischen Fotograf und Musiker herstellen. „Es gibt große Gemeinsamkeiten zwischen der Tätigkeit eines Fotografen und denen eines Regisseurs oder eines Dirigenten“, berichtet Schuller. „Wir haben alle dieselbe Aufgabe, die darin besteht, dass wir in der Zusammenarbeit mit Künstlern Bilder entstehen lassen – sei es in einer Inszenierung, in einem Film oder in einem Musikstück. Der Moment, in dem der Künstler und ich zusammenarbeiten, ist nicht grundsätzlich anders, als wenn er oder sie mit einem Dirigenten und einem Orchester musiziert.“
Die Aufgabe des Fotografen während eines Fotoshootings besteht somit nicht nur im bloßen fotografischen Handwerk, vielmehr übernimmt er eine leitende Funktion. „Es ist immer eine starke, intensive Zusammenarbeit, in der es die Herausforderung ist zu Lenken. Allerdings kann man nur soweit Lenken, wie der Künstler gehen möchte. Es ist dabei sekundär, ob man eine große Inszenierung macht oder etwas Kleineres. Es ist mit dem Foto genauso wie in einer akustischen Inszenierung oder im Theater oder im Film. Es bedarf immer eines Zusammenspiels“, beschreibt Schuller das Prozedere. Gerade klassische Musiker sind, im Gegensatz zu Fotomodels, mit Dramaturgie und Inszenierungspraktiken vertraut und kommen häufig mit einer genauen Vorstellung, wie das Foto im Endergebnis auszusehen hat. Dennoch ist es die Aufgabe des Fotografen, dem Künstler zu vermitteln, was fotografisch bei der Umsetzung eben dieser Vorstellungen möglich ist. „Erst macht man sich Gedanken, was man fotografieren möchte und dann ist es wichtig, den Künstlern sehr genau zu vermitteln, was man vorhat. Man muss ihnen sehr genau erklären, wo man hin möchte, also was das Ziel des Shooting ist und welche Atmosphäre man im Bild kreieren kann. Für mich ist es jedoch immer ganz klar, dass ich vor allen Dingen ein Porträt schieße.“
Der Fotograf als Psychologe
Noch etwas weiter fasst es der Fotograf Felix Broede, der heute zu den gefragtesten Fotografen der Klassikszene gehört und unter anderem Claudio Abbado, Maria João Pires, Murray Perahia oder das Artemis Quartett fotografierte. „Die Arbeit des Fotografen ist oft mit der eines Psychologen zu vergleichen. Am Set sind häufig ein Dutzend Personen an nur einem Foto beteiligt. Alles läuft jedoch bei dem Fotografen zusammen, sodass man versuchen muss, allen Befindlichkeiten, und zwar nicht nur der des Künstlers, gerecht zu werden.“
Auch für Broede spielt die Musik der Künstler vor seiner Kamera eine untergeordnete Rolle. „Ich beschäftige mich im Vorfeld so wenig wie möglich mit den Künstlern. Generell auch nicht mit der Musik.“ Diese Arbeitsweise hat sich in seiner zwanzigjährigen Laufbahn als am besten bewährt. „Als ich anfing klassische Musiker zu fotografieren, bekam ich schnell berühmte Künstler vor die Kamera. Hätte ich damals gewusst, wer da vor mir steht, hätte ich niemals so unbefangen an meine Arbeit herangehen können. Heute schaue ich kurz im Netz, wie der Künstler aussieht und alles Weitere ergibt sich während des Shootings.“
Auch mit Vorgaben von Plattenfirmen und Agenturen, wie Fotos auszusehen haben, geht Broede gelassen um. „Ja, es gibt oftmals Vorstellungen, wirkliche Vorgaben sind es aber eigentlich nicht. Ich versuche diese Ideen zwar aufzugreifen, häufig entwickelt sich ein Fotoshooting aber in eine ganz andere Richtung.“ Dass die Künstler selbst mit speziellen Wünschen kommen, erlebt Broede hingegen seltener. „Es hat sich natürlich viel verändert. Früher kam es vor, dass eine Plattenfirma anrief und mir sagte, dass ein Künstler nicht gerne fotografiert werden wolle und ich mal sehen solle, wie man ein gutes Bild bekommt. Heute gibt es viele Künstler im Teenageralter, die durch Social Media eine ganz andere Einstellung zu dem Thema haben.“ Für Broede steht dabei das Vertrauen zwischen Künstler und Fotograf bei seiner Arbeit an zentraler Stelle. „Ich porträtiere immer einen Menschen. Da müssen häufig Schüchternheiten überwunden und Befindlichkeiten eingeschätzt werden.“ Dennoch ist für Broede im entscheidenden Moment eine gewisse Portion Chuzpe notwendig, den Auslöser zu drücken. Das Resultat seiner Kunst entsteht schließlich in nur einem Bruchteil einer Sekunde – festgehalten wird es für die Ewigkeit.
Aufmacherbild: © Gemeinfrei