Um den Ort Hombroich zu finden, bedarf es keiner Landkarte, sondern eines Stadtplans von Neuss. Dort, wo der Stadtteil Holzheim ist, findet man eine winzige Flussinsel, einen Einschluss des Flusses Erft mit Namen Hombroich. Diese Insel erwarb 1982 der Kunstsammler Karl-Heinrich Müller, um dort ein Museum mit Kunstpavillons zu gründen, welche im Einklang mit der sie umgebenden Naturlandschaft entstehen sollten. In Anlehnung an Paul Cézanne steht das Museum seither unter dem Motto „Kunst parallel zur Natur“. Bereits zwei Jahre später erwarb Müller ein weiteres Areal und ließ vom Landschaftsarchitekten Bernhard Korte aus dem verwilderten Park und den angrenzenden Ackerflächen eine Auenlandschaft erschaffen. Weitere Skulpturen und Kunstbauten entstanden, das Museum in freier Natur wuchs organisch und vergrößerte sich schließlich 1994 noch einmal schlagartig, als Müller die nahegelegene ehemalige Raketenstation erwarb und diese ebenfalls umgestaltete. Heute nennt sich das weitläufige Gebiet „Kulturraum Hombroich“.

Diese nach und nach wachsende Museumslandschaft sollte schon vier Jahre nach Erwerb der Flussinsel zum Klingen gebracht werden: Zu Pfingsten 1986, noch ein Jahr vor der offiziellen Eröffnung des Museums, fand hier zum ersten Mal das „Inselfestival“ statt. In der Folgezeit entstand eine einzigartige Symbiose aus Musik, Kunst und Natur, die bis heute im Zweijahresrhythmus unter der künstlerischen Leitung von Dr. Rainer Wiertz fortgeführt wird.

Eröffnet mit einem exqusiten Liederabend: Tenor Julian Prégardien © Chris Gonz
Eröffnet mit einem exqusiten Liederabend: Tenor Julian Prégardien © Chris Gonz

Die erzählerische Seite der Klangkunst

Die Jubiläumsausgabe reflektiert in diesem Jahr zum nunmehr zwanzigsten Mal die existenziellen Erfahrungen von der Wiege bis zum Grabe und erkundet unter dem Motto „Narrative Musik“ die erzählerische Seite der Klangkunst. So wird es vom 6. bis 9. Juni große Geschichten geben von Liebe, Tod und Leidenschaft, ganz ohne Worte – oder fast ohne Worte, denn der Gesang drängt sich bei diesem Motto nachgerade auf. So eröffnen den viertägigen musikalischen Reigen Startenor Julian Prégardien und Anna Gebhardt am Klavier mit einem exquisiten Liederabend, in dem sie Werke von Clara und Robert Schumann sowie von Franz Schubert interpretieren (6.6., 19 Uhr). Tags darauf offenbart der israelische Pianist Matan Porat die narrative Kraft des Instrumentalspiels mit einem so internationalen wie epochenübergreifenden Programm, das neben Kompositionen von Franz Liszt, Leoš Janáček, Thomas Adès und Maurice Ravel auch eine Uraufführung bereithält: „Night Shadows“ der iranischen Komponistin Bahar Royaee.

Auch Joseph Moog trägt am Klavier Geschichten vor mit Beethovens „Sturm“-Sonate, deren Beiname aus William Shakespeares gleichnamiger Komödie entlehnt ist, sowie mit sieben „Liedern ohne Worte“ von Felix Mendelssohn und weiteren erzählerisch gestalteten Werken von Francis Poulenc, Maurice Ravel und Franz Liszt. Die zweite Uraufführung des diesjährigen Inselfestivals präsentiert Magdalena Cerezo Falces als dritte Solopianistin mit Rolf Riehms „Griffe und Klänge von einer Stätte zur andern ins Ungewisse“ (9.6., 17 Uhr). Von einer Stätte zur anderen, aber sicher nicht ins Ungewisse, geht es zwei Stunden zuvor mit der Saxofonistin Asya Fateyeva und der Akkordeonistin Evelina Petrova: Das Duo begibt sich auf eine Klangwanderung durch den Kulturraum Hombroich und erfüllt unter dem Titel „Imaginary Folklore“ ausgewählte Orte mit Musik (9.6., 15 Uhr).

Auf Klangwanderung durch den Kulturraum Hombroich: Saxofonistin Asya Fateyeva © Jewgeni Roppel
Auf Klangwanderung durch den Kulturraum Hombroich: Saxofonistin Asya Fateyeva © Jewgeni Roppel

Spanisches Flair zum Finale

Auch die Kammermusik ist integraler Bestandteil in Hombroich, an Pfingstsonntag mit drei Konzerten: Den Auftakt macht das Simply Quartet, 2008 in Shanghai gegründet und heute in Wien ansässig, das unter dem Titel „Vielfältige Landschaften“ Auszüge aus Wynton Marsalis’ erstem Streichquartett sowie Mozarts siebzehntes und Griegs erstes Streichquartett spielt (8.6., 11 Uhr). Der Violinist Roi Shiloah wiederum wird mit Matan Porat am Klavier Sonaten von Leoš Janáček und Paul Ben-Haïm sowie weitere Kompositionen von Meredith Monk und Franz Schubert zum Klingen bringen (8.6., 16 Uhr). Am Abend folgt dann der zweite Gesangsabend mit dem Ensemble „The Gesualdo Six“, das sich 2014 in Cambridge gegründet hat. Passend zum Pfingstfest, bei dem die Christen der vielsprachigen Herabkunft des Heiligen Geistes gedenken, hat das Sextett ein Programm in fünf verschiedenen Sprachen zusammengestellt (8.6., 19 Uhr). Zum Abschluss des Inselfestivals spielt das weltbekannte Cuarteto Casals auf und bringt spanisches Flair auf die Insel Hombroich.

Lädt zum Finale: Cuarteto Casals © Pablo Rodrigo Studio
Lädt zum Finale: Cuarteto Casals © Pablo Rodrigo Studio

Für alle Veranstaltungen auf der Museumsinsel müssen die Besucher übrigens den Eintrittspreis für das Museum entrichten. Lediglich eine Spende wird erwartet bei den Konzerten auf der Raketenstation Hombroich. Wer mehrere Konzerte besuchen möchte, hat außerdem noch reichlich Zeit für die weitläufige Naturlandschaft des Kulturraumes Hombroich und für intensive Kunsterlebnisse: die begehbaren Skulpturen von Erwin Heerich mit ihren Exponaten, das Museum des renommierten Bildhauers Thomas Schütte, die staunenswerte Japansammlung der Langen Foundation, das Kirkeby Feld mit dem Feld-Haus und seinen populären Druckgrafiken. Schließlich ist das Zusammenspiel der Künste und der Natur genau das, was das Inselfestival so einzigartig macht.

Weitere Informationen:  www.foerderverein-hombroich.de

Aufmacherbild: Raketenstation Hombroich – Haus für Musiker © Raimund Abraham