Eine These zur Entstehung des Tanzes lautet, dass er zunächst ein Mittel der Kommunikation war. Ob nun aus Bewegungen bei der Arbeit oder als Reaktion auf Naturphänomene entwickelt, beschreibt der Tanz seit jeher menschliche Interaktionen. Schon in den frühesten Kulturen war das Tanzen ein wichtiger Bestandteil von Ritualen, Zeremonien, Festen und Unterhaltung. Möglicherweise spielte er auch eine zentrale Rolle bei der Überlieferung von Geschichten, bevor sie schriftlich festgehalten wurden. In vielen Teilen der Welt ist das Tanzen stark in der Gemeinschaft verwurzelt und schafft Zugehörigkeitsgefühl. Die Ausstellung „Tanzwelten“ in der Bundeskunsthalle Bonn präsentiert das Tanzen als globale Darstellungs- und Ausdrucksform und erzählt multiperspektivische Verflechtungsgeschichten zwischen dem Tanzen in seinen sozialen Funktionen und seiner Rolle als Kunstform.

Tanzende während der Soul Train Line Show, USA, April 1975 © Foto Michael Ochs Archives/Getty Images
Tanzende während der Soul Train Line Show, USA, April 1975 © Foto Michael Ochs Archives/Getty Images

Tanz als kollektives Erlebnis

In thematisch aufgebauten Kapiteln blickt „Tanzwelten“ auf die Vielzahl unterschiedlicher Erscheinungsformen und Stilrichtungen und beleuchtet das Tanzen als wesentlichen Bestandteil unseres Daseins. Aus dem zentralen Kapitel „Gemeinsam tanzen“, das Tanz als kollektives Erlebnis vorstellt und seine soziokulturellen Funktionen thematisiert, entwickeln sich vier große Bereiche: „Tänze imaginieren“, „Geschichten erzählen“, „Auf:Brüche“ und „Show Time!“. Sie beleuchten die rituellen, spirituellen, politischen, identitätsstiftenden und unterhaltenden Funktionen des Tanzes und lassen dabei die Grenzen zwischen Alltags- und Hochkultur verschwinden. So werden im Kapitel „Geschichten erzählen“ sowohl das klassische Ballett als auch die narrativen Tänze des afrikanischen Kontinents sowie verschiedene Formen des Tanztheaters vorgestellt. „Tänze imaginieren“ geht Beispielen für spirituelle und kunstphilosophische Tanzwelten nach und beleuchtet das Thema der Aneignung und des kulturellen Transfers. Das Tanzen als Ausdruck von Protest und Widerstand und als Gegenbewegung ist Thema des Kapitels „Auf:Brüche“, und der Bereich „Show Time!“ beleuchtet die unterhaltsamen Aspekte.

Rund zweitausend Jahre alt ist die aus Mexiko stammende Tonfigur „Reigentanz mit Rasselspieler“ © Museum zu Allerheiligen Schaffhausen
Rund zweitausend Jahre alt ist die aus Mexiko stammende Tonfigur „Reigentanz mit Rasselspieler“ © Museum zu Allerheiligen Schaffhausen

Da Tanz selten für sich allein steht, werden in der Ausstellung auch seine vielfältigen Verbindungen zu anderen Kunstformen betrachtet. Dabei reichen die Exponate von Artefakten mit Tanzdarstellungen in frühen Kulturen bis zur neuzeitlichen bildenden Kunst und Beispielen des zeitgenössischen Tanzes.

Darüber hinaus wird die Ausstellung zur Tanzplattform, wobei die Besucherinnen und Besucher die Möglichkeit haben, auch selbst das Tanzbein zu schwingen, etwa bei Workshops für Tango (12.1.) oder Hip-Hop (5.2.). Auch den kubanischen Gruppentanz „Rueda de Casino“ kann man spielerisch ausprobieren mit Unterstützung der Bonner Rueda-Gruppe alleMánn (15.1.). Der Workshop „Artmove“ wiederum lädt zu Meditation und Übungen aus dem Bereich Body-Mind Centering, Tai-Chi und Yoga ein (1.2.). Ein wesentliches Element des Tanzes kommt in der Kreativ-Werkstatt „Auf den Takt gekommen“ zur Geltung, nämlich der Rhythmus. Hier können Familien mit Kindern von 3 bis 6 Jahren aus verschiedensten Gegenständen und Materialien Musikinstrumente basteln und sich zu den Klängen bewegen (26.1.).

Zwei Tänzerinnen in Ubud auf Bali führen den Legong-Tanz auf © Getty Images
Zwei Tänzerinnen in Ubud auf Bali führen den Legong-Tanz auf © Getty Images

Live-Performances und Open Studios

Auf der Tanzfläche inmitten der Ausstellung können die Besucherinnen und Besucher zu ausgewählten Terminen auch Live-Performances erleben. Gleich zu Beginn des neuen Jahres etwa öffnet Nora Ottes und Anna Tills Performance „Schwanensee in Sneakers“ den Blick für die facettenreichen Formen von Tanz und die Kraft der Verwandlung, die jedem Körper innewohnt – und befasst sich damit auf künstlerisch-spielerische Art mit der alles andere als leicht zu beantwortenden Frage, was Tanz überhaupt ist. Shivani Karmarkar Schürfeld wiederum bietet einen Einblick in die Kultur des Kathak, einem jahrhundertealten Tanz in Indien, der dort auch heute noch begeisterten Zuspruch findet (18.1.). Auf eine Zeitreise durch die getanzten Ekstasen und ekstatischen Tänze laden Hannah Shakti Bühler und Simon Mayer zusammen mit Musikerinnen und Musikern der Bandadriatica ein. Im eigens für die Ausstellung eingerichteten Tanzsaal proben Artists-in-Residence und geben in Open Studios Einblicke in ihre Arbeiten.

Das gesamte Programm mit allen Performances, Studioeinblicken, Tanzabenden und Workshops und mehr finden Sie über: Tanzwelten – Bundeskunsthalle

Aufmacherbild: © Mick Vincenz/Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH